Die Sitte,

einen Hinweis auf Säumiges, mit dem Messer büßen zu lassen. Und seis nur ein mißglückter Raubversuch. Blut für Ehre provoziert Blut für Blut. Oder einen Aufschrei, scharf wie eine Klinge. Inwieweit ein Kollektiv den Griff nach dem Messer mißbilligt, akzeptiert oder ihn indifferent geschehen läßt. Inwieweit kollektiv Wut & Zorn an den Rändern ausmarodieren können oder dies befürchten lassen.

Auf der sicheren Seite kann ich gut spotten. Wenn das Messer nicht durch meinen Panzer dringt, wird es sich einen anderen Weg suchen und zu meiner Waffe, auch wenn ich es nicht will.

Fremdtext

Du leugnest in gewissem Sinne das Vorhandensein dieser Welt. Du erklärst das Dasein als ein Ausruhn, ein Ausruhn in der Bewegung.

Franz Kafka, Das Vierte Oktavheft

Nur das Tätige

das, was direkt dem Menschen dient (keiner Abstraktion davon, keiner Gemeinschaft, keinem Fortschritt) und dem Zufall seinen Respekt zollt, ohne sich ihm hinzugeben, ist in der Lage, Erfahrung auch als Glück zu genießen. Ohne den Anspruch des Weitergebenmüssens.

Die gewalttätige Durchsetzung

des scheinbar Großen mit den Mitteln des Kleinsten, des Niedrigsten. Das trifft für den National-Sozialismus, den International-Sozialismus zu und auch für den nationalen Sozialismus, der internationalistisch zu sein vorgibt. Am Ende stehen alle gewalttätigen Volkserziehungs-Programme und -Experimente an Lebenden vor dem gleichen Dilemma: Der Feind ist außen, in der Mitte die reine Le(e)(h)re. Am direktesten der National-Sozialismus: Er macht alle zu Herren, außer. Auf komplizierte inhaltliche Probleme geht er nicht ein. Das ist seine Kraft; mit Roheit gegen alle anderen Völker kämpfen zu müssen, als Herrenvolk. Der Sozialismus startet als internationalistischer Tiger und landet als nationalistischer Bettvorleger (mit durchaus noch bissigem Kopf!).

Sein Re-Make heute verbeißt sich in das Problem, daß es kein Außen mehr gibt, es bleibt allein die “andere” Welt, die zweite (wenn man so will, so viele wie es Ideologieträger gibt) Erde(n), die allein im Kopf existiert, bewußt und unbwußt; das Herrenmenschentum über das Dunkle, Andere, daß sich nicht bannen läßt, auf Transparente nach draußen projiziert. Jeder Versuch des Clearings, Wegredens degeneriert zum Out-Sourcen des Auch-Eigenen,  seines Wiederfindens im Feind. Eine fremde Macht, empfunden als Macht des Fremden (irrtümlich als das “Andere” bezeichnet, wenn es Hoffunungsstrahlen zu beinhalten scheint); eine religiös und politisch zu bekämpfende und seis dein Nächster, dein nächstes Selbst.


Wenn

wir die Ungleichheit abschaffen, wächst in uns die Sehnsucht danach. Je mehr wir sie abschaffen wollen, desto mächtiger und maßloser; auch der Wunsch der Überprüfung, des möglicherweise ultimativen Testes. Ein Element von Außen Klammer:(Äußerstem) in eine Gesellschaft zu holen, des Testes willen, um der Überwindung der Ungleichheit willen.

Der tellkampsche Punkt

Was in dem Mann vorging, weiß ich nicht, aber was in mir vorgegangen wäre, wäre ich an seiner Stelle gewesen. Die Schwierigkeit, eine erkannte Wahrheit in mein Umfeld zu tragen, auf die Gefahr eines strafenden Milieus hin. Ein Renegatentum, auf das man nicht vorbereitet war. Der kafkasche Punkt, von dem es keine Wiederkehr gibt und den es zu erreichen gilt. Die Beschämung seiner Kritiker, die um den Ruf ihrer intellektuellen Redlichkeit zu Recht fürchten müssen.

(Klammer: Die Renegation vom DDR-Milieu hatte man in Gedanken zigfach vollzogen. An einen Renegatentermin, wie ihn Uwe Kolbe beschreibt, kann ich mich nicht erinnern. Aber an eine ständige und ständig wachsende Verärgerung meinerseits über Ostalgie, das Infame der SED-PDS-Linke und jenes “Es war doch nicht Alles schlecht”.  Verwunderung, warum das gefühlsduselige Gebäude DDR nicht im Arsch der Geschichte verschwunden ist; mit dem Nationalsozialismus in die selbe Kammer gehört. Zwischen der Geiselhaft, in die uns die “Linke” mit ihrer Moral genommen hat und der Verklärung des DDR-Bolschewismus gibt es einen Zusammenhang.)

(Klammer2: Nach Nietzsche ist Sitte: daß was man eben tut, die Regeln des Zusammenlebens; Sittlichkeit: die Einhaltung der Regeln und Moral: die Einstellung zur Sittlichkeit. Die Moral der Linken ist eine Einstellung zu einer Vorstellung, wie die Welt sein müßte oder besser eine Einstellung zur Differenz zwischen dem wie die Welt sein soll und dem wie sie ist. Das ist eine ungeheure An-Maßung und Vereinfachung ins nahezu Infantile; da jeder eine andere Vorstellung hat, wird der gemeinsame Nenner der Moral immmer kleiner. Es ist keine Moral des Zusammenlebens, sondern eine der Volks-Erziehhung zu sich permanent ver-ändernden Geltungen. (Klammer3: Das Veränderliche als Lebensprinzip Metamorphose: ja; als Diktat: nein!) Daß die Sitte hinterfragt wird, schon durch das Leben selbst, durch Denken, Verhalten: es passiert und ist nicht zu ändern. Hier sind alle Fragen der Kritik berechtigt und alles weitere ergibt sich daraus, jedoch die Umkehr der Reihe, die Veränderungsgestaltung von der Moral her ist eine Wut-Attacke gegen die Sitte, gegen das, was sich nicht so einfach per se ändern läßt, gegen die Langsamkeit des Lebens. Am Ende richtet sie sich gegen den Wütenden selbst.)

Letzte Einheitsfront

Keine Niederlage, kein Zusammenbruch. Ein Kapitel, welches die „Letzte Einheitsfront“ heißt. Auf der Rutsche in den Sand der Banalität das irre Aufjuchzen einer Eschatologie der Dinge, die „wir“ nicht wollen. Wie eine (res)sentimentale Schallplatte: Auf zur letzten Rille! Ein billiger Pop, jede Melancholie verschwendet.