Gulag für die Vernunft

Kommunismus ist politische Romantik, eine Sehnsucht auf Veränderung, die in die Zukunft und die Vergangenheit projiziert wird. Die Strategie der Ideologen geht auf einen Endsieg hin, den des Reichs der Freiheit und Sorglosigkeit. Am Anfang der Geschichte des Menschen, so wird angenommen, gab ein Reich der Freiheit, daß nun wiederkommen würde. Durch den Besitz von Privateigentum wurde es zerstört.
Das Reich der Freiheit wird neu erlangt, indem das Privateigentum zerstört und damit auch der westliche Mensch, der Unteilbare, das Individuum, denn das Individuum ist an das Private, das Privateigentum gebunden. Die Freiheit, die eine Voraussetzung und Ergebnis souveräner Tatkraft ist, diese Freiheit ist nicht die des chorisch handelnden Menschen, den der Kommunismus und der den Kommunismus hervorbringt. Es ist der, der immer nicht konnte, wegen der Umstände.
Die Freiheit des Individuums und das freie Individuum sind die Totfeinde des Kommunismus, die Freiheit des Kommunismus dagegen ein Versprechen ins Jenseits dem chorischen Menschen. Eine Rearchaisierung. Das Individuum, das aus dem Chorischen ausbricht, muß selektiert werden, wie es Lenin, Trotzki, Stalin, Mao oder Pol Pot praktizierten. Jedoch die Seele, laut Sarah Kirsch, ein bourgeoises Subjekt, solange es Menschen gibt. Der Neue Mensch der Kommunisten im Sinne Mussolinis: Die Freiheit bin ich. Auch durch Ausmordung alles Individuellen war er nicht zu bekommen.
Haben wir es heute mit einem völlig neuen Menschen zu tun, einem der das freiwillig will?
Der sich aus einer Reihe von Angeboten ausgerechnet das wählt, das ihm einen Ausweg aus den Zumutungen der Freiheit zeigt. Die Freiheit von der Freiheit. Die Freiheit von den Zumutungen des Selbst an das Ich.
Er ist ein Anhänger aus Eigensucht. Was er in seinem armseligen Konsum erworben hat, möchte er behalten. Er hofft auf das lebenslange Wohnrecht im Bedingungslosen, wie der Muselmann auf die Jungfrauen. Würden die Ideologen gewinnen, würden sie ihm das schon austreiben!
Wenn in einer freien Gesellschaft ein lang anhaltender Zustand subventionierter Verwahrlosung entsteht, geht der Blick auf die verloren, die die Voraussetzungen erarbeiten. Ist dieser Zustand in eine Dekadenz des Irrationalen transzendiert, die jede praktische Vernunft mit einem Schwertstreich beenden würde, bleibt als aberwitzige Lösung nur der Kommunismus und der Gulag für die Vernunft.

Integriert Hitler!

Das Problem, das angesprochen wird, wenn vom Denkmal der Schande die Rede ist.
Die deutsche Erzählung: Wir haben das getan, es tut uns leid, wir wollen es nie wieder tun. Das wird nicht ohne den Tonfall ausgesprochen, den Broder Sündenstolz nennt, eine Selbstgerechtigkeit nämlich, die die Leistung erbringt, das Getane in eine Bad-Bank zu drücken, diese aus dem Volkskörper autzusourcen in ein Reich, wo der Beschämte zum moralischen Sieger wird, der mit dem Finger auf die Bad-Bank deutet.
Der Film über Churchill, Die dunkelste Stunde zeigt den Unterschied. Eine Nation, die stolz ist, Stolz hat und ihn aus der Bedrohung heraus neu entwickelt. Zu welcher historischen Situation wäre so ein Film über Deutschland möglich?
Wir werden weder Hitler noch Babi Jar los, jeder hat recht, der die Motive für den Bau des Holocaust-Mahnmals in Frage stellt. Zuallererst die Überlebenden und die Nachfahren der Ermordeten.
Integriert Hitler!, müßte man den Deutschen, müßten wir uns zurufen. Betrachten wir ihn als Teil von uns, den wir nicht loswerden.
Auch eine Bad-Bank verlangt am Ende nach einer Bilanz. Minus bleibt minus.
Es gibt allerdings eine deutsche Stolz-Erzählung. Der Sieg über die SED. Dabei folgende Momente: Die Scham eigenen Mittuns als Kraft-Impuls zur Überwindung der Angst vor der Rebellion. Das spielt sich im Einzelnen ab, kann aber zu einem kollektiven Glücks-Moment werden. Diesen Moment des Auf- und Ausbruchs eines Volkes als Erzählung werden zu lassen, ist offensichtlich nicht gelungen.
Dafür der törichte Tischkreis, der das dürre Gespenst des Kommunismus erneut beschwört. Die alte Bad-Bank wird als Simulation von Gefahr benutzt.
Als würde das kollektive Unbewußte der Deutschen ein merkwürdiges Drama inszenieren und Anstrengungen unternehmen, es real werden zu lassen.

Die einen im Volk sind Nazi und werden es immer bleiben. Die Guten bekämpfen sie und überwinden damit die böse Vergangenheit. Dabei wird eine Situation der Unfreiheit geschaffen. Der Kampf gegen die deutsche Industrie, das Kapital, das den Faschismus erst ermöglicht hat, aber auch den Wiederaufbau und damit die Nazis im Volk konserviert hat. Es schlägt um, die Nazis werden die Guten und retten deren Seelen und die Freiheit, alles verschmilzt, endlich gibt es die gesamtdeutsch-stolze Erzählung.

Das Holocaust-Mahnmal ein Denkmal der Schande zu nennen ist der erfolglose Versuch, Babi Jar als Erzählung ungeschehen zu machen. Es ist aber auch das Buhrufen am Rande des Selbstapplauses.
Nachtrag: Sündenstolz geht auf Herrmann Lübbe zurück.

Außerfamiliäre Agression

G vergesellschaftet ihre privaten entwicklungspsychologischen Probleme. Das Versagen von Mutter und Vater wird auf alle anderen übertragen. Die Welt ist die Zumutung, nicht die Eltern. G kann mit diesem gegen Alle gegen ihre Eltern sein, ohne sie zu beschädigen. Das Drama des begabten Kindes.
Das Private ist der Rückzugsraum des bürgerlichen Subjekts. Diesen zu vergesellschaften als Kommunalka, militärischen Drill, Gulag, frühmöglichste staatliche Erziehung ist das eigentliche Ziel des Linken, der die Gesellschaft für das Versagen der Eltern verantwortlich macht. An seiner Zerstörung sollen Alle teilhaben. Daß das Private politisch definiert wird und damit Schutzräume in Kriegsschauplätze verwandelt werden, in denen der Einzelne sich permanent rechtfertigen muß.
Gs Agression vor der UNO ist eine Kriegserklärung, wenn auch eine ihres Unbewußten, aber mit Bewußtsein Ausgestattete sollten dem Rechnung tragen.

Bad Bank der schönen neuen Welt

Die unbedingten Befürworter einer gerade mal eben neuen Welt haben das Problem des Dualismus für sich gelöst. Zeozwei mit C wie Kapitalismus ist die Revoluzze, bei der man noch Lampen putzen kann.
Die eigenen Zweifel werden in eine Bad-Bank gepackt und indirekt werden alle, die nicht am unteilbaren Scheinbaren teilhaben wollen in dieser abgelegt. Für eine Bad-Bank muß am Ende die Allgemeinheit aufkommen, die Minusbeträge auszugleichen, diese hier besteht plötzlich aus lebenden Menschen. Man wird dem Rechnung tragen müssen.

Don Quichote

Verteufeltes, erschreckliches Pack, gebt sogleich die edlen Prinzessinnen frei, die ihr in dieser Kutsche verschleppt. Wo nicht, seid ihr eines raschen Todes gewärtig, als gerechte Strafe für eure bösen Werke.

Eine Ungeheuerlichkeit, die nicht zu übertreffen ist, da sie den Ort dort verlassen hat, wo wir Urteil und Maß anwenden können. Die Situation, auf die Don Quichote trifft, hat absolut nichts mit dem zu tun, was er sagt. Man kann ihn also nur noch wortwörtlich ernst nehmen oder sich von dem Wahn abwenden, kopfschüttelnd.
Insofern gleicht das dem heutigen linken Aktivismus. Nähme man das, was da abgesondert wird, wirlich ernst, begäbe man sich in eine aberwitzige Achterbahnfahrt, aus der man ohne Schaden an Leib und Seele nicht herausfindet. Da ist die Situation des Ritters komfortabel gegen. Er wird wieder verhauen werden und sich als moralischer Sieger sehen. Allerdings geht es auch dem Knappen schlecht. Sancho versucht opportunistisch aus der Situation Profit zu ziehen und wird ebenfalls verhauen.

Don Quichote

Mein Name sei Don Quichote von der Mancha. Zum Ende seiner ersten Ausfahrt vergleicht er sein Schicksal mit dem der Helden aus seinen Romanen. Er ist arg verprügelt worden, weiß er noch wer er ist? Dem Bauern aus seinem Dorf, der sagt, er wäre doch der Herr Quijana, antwortet er: Ich weiß, wer ich bin.
Daß er sich entscheidet für einen Namen, mit dem er für seinen Wahn, sein Tun verantwortlich zeichnet.

Vierzig Jahre Woodstock, eine Stunde arte

Ich zappe immer wieder weg. Menschenmassen zu beobachten, wie aus der Totale in das Einzelne gezoomt wird, das hier den Status des Besonderen bekommen soll, den es aber nicht hat, langweilt.
Einer der Veranstalter stellt das Utopische über das finanzielle Desaster des Festivals und begründet den Pop-Mythos, der es nach 15 Jahren Schuldentilgung in die Gewinnzone schiebt.
Innerhalb der Stunde Zuschauens wachsen in der vergangenen Festivalzeit die Müllberge. Der Regen läßt sich auch durch Regentanz nicht vom Fallen abhalten.
Ich steige bei Richie Havens ein und bei John B. Sebastian aus.
Joan Baez singt Joe Hill, ich glaube kein Wort. Sie hat in ihrem ganzen bisherigen Leben weder ein Bergwerk, noch eine Fabrik von innen gesehen. Wahrscheinlich trifft es auch auf die Autoren des Songs zu. Sie schaut verlogen bis ins Mark. Aber sie bedient ein Etwas, dem Protest einen proletarischen Background zu geben.
Das sind allesamt nette Kinder. Man telefoniert nach Hause, Mama zu sagen, daß man noch lebe und es nicht so schlimm wäre, wie in den Nachrichten. Die Minderheiten, für deren Freiheit man ja auch dort sitzen würde, sind die Ausnahme, sie werden von der Kamera fixiert. Das Publikum ist weiß und keine Arbeiterklasse.
Für wen singt und schreit Richie Havens nach Freiheit? Daß er sich dort mutterseelenallein findet: für sich selbst?
Die meisten meiner Punkte für die Musik gehen nach Great Britain. The Who, Alvin Lee und Joe Cocker. Thats Rock’n Roll! Alvin Lee erzeugt eine Grundspannung kurz unterhalb der Extase: in Riffs! Dann springt er geschwind, gezupft, gekonnt immer wieder knapp über diese Linie.
Das ist für The Who Teil der Show als zornige junge Männer. Kein weiterer Kommentar, wer das so kann, dem glaubt man das, der glaubt das selbst und kann es auch deswegen.
Die rudernden Arme des Klempners aus Sheffield, der gewiß etwas Hilfe seiner Freunde braucht. Nur gerade da nicht, wo es um die Kunst geht, jeder Einsatz sitzt, jeder Ton wird getroffen, um nur annähernd festzustellen, was diesen Auftritt so besonders macht.
Die blauen Augen von Grace Slick, ihre Stimme erzeugt mit der E-Gitarre einen besonderen Sound. Leider hält er nicht, was er verspricht, die musikalischen Ideen von Jefferson Airplane verläppern sich. Sie spiegeln ihr Publikum, auch äußerlich. Grace Slick steht am Bühenrand und beißt sich vor Eifersucht auf die Lippen, während sich ihr männlicher Kollege produziert.
Bei John B. Sebastian schalte ich aus, soviel Banalität ist kaum zu ertragen, sein wichtigster Beitrag ist die Bitte, etwas Müll mit nach Hause zu nehmen.

Don Quichote

Zuerst wähnen wir, Don Quichote würde die Illusion über die Wirklichkeit stellen und wir als Beobachter (an Sanchos Seite) wüßten Bescheid.
Aber löst er nicht den Widerspruch zwischen Denken und Handeln, indem er mit Ernst und Würde in seine Rüstung steigt? Ist es nicht sogar ein Privileg, dies konsequent und immer tun zu dürfen und verbindet ihn das nicht mit allen Arbeitern, für die Pause, Freizeit und fertig machen nicht zu existieren scheinen?
Don Quichote genießt die Anerkennung durch die Welt, indem er den Spott nicht hört. Die Spötter müssen sich fragen, was Illusion ist, ihr Spott oder der Wahn Quichotes. Sie kehren dahin zurück, wo sie täglich gegen ihre Vorsätze verstoßen, die möglicherweise in ihrer Unerfüllbarkeit selbst Illusion sind. Oder die Befriedigung über ihre Erfüllung. Den Ritter ficht das nicht an. Er reitet in den nächsten Konflikt, den er (er)findet. In den er eingreift und mit dem er eigentlich nicht zusammenkommt. Nach jedem Konflikt hat sich die Situation geändert, die Intervention jedoch niemals das Gewollte erreicht. Die Determination geht eigene Wege oder existiert möglicherweise garnicht.
Don Quichote stellt die Frage nach dem Schicksal, die uns bis heute dahingehend beruhigt, daß wir ja nicht anders handeln konnten. Der Don schon.

Jogginghosen ohne Jogging

Jogginghosen sind das Zeichen einer Niederlage. Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße.

sagt Karl Lagerfeld.

Das sozialdemokratische Linkssein und das des Kopfes. Das sozialdemokratische stellt die Frage, wieviel Zeit ich für ein Auskommen aufwende. Das des Kopfes möchte bestenfalls, daß die Welt so ist, daß die Frage nach dem Auskommen nicht gestellt werden muß. Schlimmstenfalls geht es darum, daß die Welt so sein soll, wie sich der Kopf das vorstellt. Vordergründig geht es um ein Für, daß sich gegen die richtet, die gegen das Für sind. Gibt es zu wenig Sympathisanten für Für, wird Für Gegen.
Für und Gegen brauchen eine Theorie: Die Welt ist nicht, was der Fall ist, sondern was der Fall sein soll. Ein Determinismus, dessen mythischer Bruder der Schicksalsglaube ist. Man projeziert den Wunsch in die Vergangenheit und hat den historischen Materialismus. Man schiebt ihn über die Zeitleiste (auch so ein Schicksalsglaube) in die Zukunft. Der Zufall spielt keine Rolle, er ist das Leben, der Feind.
Die stattgefunde Geschichte, die sich, wie auch die Gegenwart, heute mehr zufällig, als gesetzmäßig zeigt, ist auch Feind und erweist sich heute als unbrauchbar. Das Klappen der Vergangenheit als Blaupause in die Zukunft scheitert am gewesenen Sozialismus. Der Loop wird heute aus der unmittelbaren Vergangenheit geschwungen; Sowjetmacht plus Elektrifizierung = Kommunismus heißt heute anders. Das Zukunftsversprechen hängt am Dosenpfand. Soviele Ideen wie Köpfe, ist der Zustand heutiger linker Theorie. Kaderparteien des 20. Jh. kontrollierten das mit der Methodik der Isolation: Parteistrafe, Ausschluß, Gulag, Exekution. Daß Freiheit an Verantwortung gebunden, diese nur individuell wahrgenommen werden kann, nur dann der Fall ist und das Ergebnis einer Arbeit, ist Menschen, die sich in deterministischen Zwängen zu befinden glauben und nach dem Dreh suchen, der das für sie von woanders her ändert, fremd.
Von Lenin zu heute hat sich die Weltformel personalisiert. Die Folge ist eine allgemeine Verunsicherung. Wenn Tausend Kehlen tausend Probleme hyperventilieren, werden die, die bisher die Allgemeinheit mit ihren Problemen verschonten, hineingezogen.

Das Zittern der Kanzlerin

Ich habe keinen Grund mehr. Ich sehe was der Grund ist. Ein Netz aus Vasallen. Sie halten es noch, aber ich spüre ihre Schwäche. Ich habe keine Starken unter ihnen. Ich hätte dafür sorgen sollen. Aber ich habe die Starken nie geduldet neben mir, nur als Gedemütigte.
Meine Stärke: Dazusein, wenn alle ihr Pulver verschossen haben. Anzufangen, wenn die anderen müde sind: meine Ausdauer. Meine Kraft wächst aus der Schwäche der anderen. Vielleicht weiß ich schon lange, daß ich stürzen werde. Ich siegte, als die Starken mir ihre Schwäche als meine Kraft gaben. Jeder kluge Herrscher sollte Starke an seiner Seite haben, wenigstens einen. Wen aber hätte ich dulden können. Jeder Starke möchte von andern Starken etwas gegeben bekommen, daß er anders zurückgibt. Ich habe nichts. Ich hatte nie etwas.
Ich habe die Menge gesucht. Die Kraft der Menge hat mich getragen. Wenn die Menge ihren Irrtum bemerkt, zerstreut sie sich. Teile bilden neue Allianzen um neue Irrtümer. Sie sucht sich andere Helden, in denen sie Ihresgleichen sucht.
Ich war die Beste in meiner Kategorie! Die Menge möchte den Propheten, den sie fallenlassen kann, wie den Müll, den sie nicht mehr braucht. Ein Ihresgleichen unter der Gleiche der Banalität.
Ich habe versucht, der Banalität einen Sinn zu geben, ein ZEN dessen, worin weder Sinn noch Zen ist. Meine Popularität: Die Gemeinschaft des Zen der Banalität.
Meine Schwäche ist kein Zentrum mehr für die Menge. Ich halte mich noch mit den Armen fest. Aber mein schwerer Körper hängt über dem schwindenden Grund.
Ich zittere.