Tribalismus

Vielleicht ist die entdeckte Welt zu groß für den Einzelnen, der im Begriff ist, die Familie zu verlieren. Die Welt ist nun überall, weltweit. Für das wirklich Interessante, nämlich sich in der neuen Weite zu orientieren hat er keine Zeit oder keine Lust oder es fehlt die Muße. Also sucht er die anderen, die (nicht) so sind wie er im Kampf gegen die anderen.

Der alte Tribalismus, der uns im Blute steckt war der Zusammenschluß gegen die Welt des Unbekannten, gegen die unbekannte Welt. Nun nehmen wir diesen zu jenem und werden uns unbekannt.

Todessehnsucht ohne Paradies

Der Grund des Hasses auf Juden seitens des Islam ist Beschämung. Jemand, der so ähnlich und doch anders ist, muß weg. Neid und Beschämung sind in einem archaischen Verständnis tödliche Beleidigungen. Israel beleidigt alle, die nicht so erfolgreich sind.
Dies gilt auch für die Linken. Die westlichen Leistungs- und Lebensverweigerer, gescheitert am Grundverständnis des Daseins (nämlich da zu sein), fühlen sich in ihrer Todessehnsucht zu dieser Himmelfahrtsreligion hingezogen.
Beide eint der Furor auf alles, was nicht so denkt, ein Totalitarismus des Clans im Islam, ein Totalitarismus des eigenen Daseins ohne Glück und Unglück, der ohne die Bestätigung der Gruppe ein elendes Dasein führen würde, in das Totenreich der Psychopathen führen würde.
Aber in irgendeiner Vorhölle scheinen sich beide zu befinden, wie sonst ist die Reaktion auf Qual und Mord so vieler Unschuldiger nachzuvollziehen?
Die einen mit Beifall, die Linken spielen über Bande indirekter, vernebelnder Vergleiche, was schon immer ihr Diskursschema war.
Ein Pogrom führt zum nächsten, denn der Unschuldige ist schuldig und muß vernichtet werden.
Glaubt der Moslem an das Paradies? Wenn ja, dann könnte er doch entspannt leben, wie ein Christ oder ein Jude? Dann wäre er doch nicht so leicht zu beschämen. Dann müßte er weder morden, noch die bejubeln, die das tun.
Die Todessehnsucht, die dem Islam inhärent ist, ist das Gegenstück zu dem Zwang der Unterwerfung, die Kontrolle, der der Einzelne in dieser Religion unterworfen ist.
Die Moderne hat Juden und Christen größtenteils von diesem Zwang befreit, jedenfalls als Möglichkeit. Mit Folgen im Westen, die für Moslems wirtschaftlich anziehend, aber spirituell verachtenswert sein müssen.
Israel steht zwischen den Welten, es ist tribal und modern, Kollektiv und Individuum, religiös und rational. Es zeigt beiden Welten ihre Möglichkeiten, dem Westen, daß Kampf und Demokratie kein Widerspruch sein müssen, dem Islam, was die Aufgabe der Unterwerfung möglich machen kann.
Aber es scheint so, daß Teilen der islamischen Welt Zwang und Tod näher sind, als Leben und Freude.

Eschatologischer Stream

Die Rettung der Welt gelingt niemals, sie ist für den Einzelnen völlig irrelevant. Als Frage kann sie nur aufrechterhalten werden, wenn diese von einem jenseitigen eschatologischen Stream gezogen wird. Hinter jeder Erlösungsfantasie steckt eine Endlösungsfantasie.
Die Entwicklung der Linken in Nuce geht von der Rettung der Arbeiterklasse zur Rettung der Welt. Der jacobitische Wahn absoluter Gerechtigkeit, braucht das Gewicht der ganzen Welt.
Wohlgemerkt, weder die Arbeiterklasse, noch andere Klienten haben sich jemals relevant für die Phantasien der Linken interessiert. So wie sich heute nur eine Minderheit für den Weltuntergang durch CO2 interessiert.
Arbeiterklasse damals und Mehrheitsbevölkerung heute sind an einer Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse interessiert.
Bei der radikalen Linken handelt es sich um Intellektuelle, die das Gefühl haben, keine Kontrolle mehr über das Leben zu besitzen und dies durch die Kontrolle über ihre Ideen kompensieren. Sie wollen keine Menschen, die an ihrem Glück arbeiten, sie wollen überhaupt kein Glück, sondern deuten es um in ein Unglück, das die Welt zu vernichten droht. Nachdem die Zerstörung des Kapitalismus bisher nicht erfolgt ist, erklärt man kurz die Mehrheit zu Schuldigen an der Vernichtung der Welt.

Kulmination

Jede soziale Bewegung erreicht ihren Kulminationspunkt, wenn sie ihre Ziele erreicht hat. Um der Vermeidung von Lächerlichkeit wegen ist es geboten, daß sie sich dann auflöst.
Aber aus Gründen der Trägheit marschiert ein Teil weiter.

Heterogenität und Nation

Diversität führt zum Verschwinden des Einzelnen in der Gruppe. Diverse Gesellschaft heißt Verschiedenheit von Gruppen (ethnisch, religiös, geschlechtlich etc). Es heißt nicht, verschiedene einzelne Menschen.
In einer ethnisch relativ homogenen Gesellschaft ist die Möglichkeit der Heterogenität von Einzelwesen eher möglich, als in einer diversen Gesellschaft. Die Basis von Begegnungen geht von Voraussetzungen aus, über die ein Common Sense besteht, was bei diversen Gruppen oft nicht mehr der Fall ist.
Eine ethnisch homogene, aber individuell heterogene Gesellschaft ist in ihrer Entscheidungsfindung der diversen überlegen, sie muß sich nicht um Paritäten und Gruppenbefindlichkeiten sorgen, bevor es zur Sache geht.
Eine diverse Gesellschaft lähmt sich durch Gruppenauseinandersetzungen.

Das Private

ist immer weniger privat, der (Über)Griff, die Geilheit, mit der manche nach dem Vorhang greifen, auch von Nachbar zu Nachbar, mit der Begründung daß es keinen Ort geben dürfe, wo Regeln nicht gelten.
Es ist das Produkt einer Abgrenzung des Bürgers vom Adel. In dessen Sphäre gab es kein privat, Dienstboten wußten alles und der Herr konnte alles über seinen Knecht wissen, wenn er es denn wollte. Ein Geheimnis blieb im Dorf nur eines, wenn es keinem erzählt wurde. Bauern schliefen in einem Bett, steckten unter einer Decke, die Kammern der Adligen waren oft nicht soweit voneinander entfernt. Das Privileg, mehr Raum zur Verfügung zu haben, wurde durch das Personal stumm durchschritten. Manches höhere Geheimnis sicherte die Sprachkammer des Französischen.
Die Stadt und ihre nachts verschlossenen Läden, ihre wachsenden Dschungel, Abgrenzungen und Differenzierungen lassen das Geheime, nämlich das im Heim Verborgene Netze aufspannen. Auch im Bürgertum gibt es Dienstboten und Dienstmädchen, die von der Herrschaft schwanger werden.
Das Private ist der Ort der einblicksfreien Zone, der Privatier, der das Privileg der unabhängigen Zurückgezogenheit genießt.
Das Private wird ein Massengut der wachsenden Städte. Man staunt, wieviel Privates der Nationalsozialismus gestattete – die deutsche Baracke als Ort, wo es aufgehoben wurde, beim Reichsarbeitsdienst, bei der Wehrmacht. Das Konzentrationslager, der Ort der Vernichtung des Privaten.
Die kommunistischen Gesellschaften leben von der Denunziation, der Denunziation der Wirklichkeit, der Denunziation des Privat-Eigenen und der Denunziation derer, für die die Wirklichkeit wirklich ist.
Das Private ist ein Raum, der dem Einzelnen gehört. Hatten wir diesen Zustand, diesen Indikator für allgemeinen Wohlstand nicht unlängst erreicht? Die Unzufriedenheit des Einzelnen mit sich selbst wächst dort, wo das Private zum Ort wird, wo der Einzelne verloren geht. Es ist eine zunehmende Lust zu beobachten, die privaten Orte zu zerstören, wo man das Gefühl hat, daß die dort Lebenden glücklich sein könnten.
Das Stille, welches von anderen nichts anderes begehrt, als das für seine Existenz notwendige. Es ist die Voraussetzung für das So-Sein eines jeden Menschen.
Es drohen ihm die Aktivisten, die an die Tür hämmern; es drohen die Neugierigen, die ihr So-Sein nicht kennen oder Angst haben es zu verlieren; es droht ein Sog von Außen, in dem man sich verliert, wenn man ihm nachgibt.
Das Vornehme ist nach Nietzsche das, was sich über diejenigen wundert, die sich gegenseitig beäugen. Es ist das, was der Pöbel in den Dreck ziehen möchte, sodaß sich heutzutage niemand mehr traut, vornehm zu sein. Es ist die Sonderheit des Privaten, das aus sich selbst heraus die Genügsamkeit einer Insel besitzt und das Privileg, das es niemand bedroht.
Wenn es Reichtum für Alle geben soll, kann es ihn nur insofern geben, daß es jedem möglich ist, vornehm, privat und so zu sein. Jede soziale Bewegung, die das nicht schafft, scheitert. Die Bewegung kann nur eine Einzelner sein, jeder sein eigener Privatier. Insofern nimmt sie ihre Kraft nicht aus dem Wegnehmen von anderen sondern aus gewonnenem Reichtum, den jeder selbst schafft.
Wenn soziale Bewegungen an der Grenze stehen, wo sie wissen, daß sie unbedingt scheitern werden, werden sie alles mit hinunterziehen, was nicht zu scheitern droht, nämlich was sich Menschen aus eigener Kraft erarbeitet haben und genießen. Insofern ist der Schutz des Privaten, des Vornehmen nötig, damit es Räume gibt, die nach den Zerstörungen des Pöbels die innere Kraft und Ruhe zum Wiederaufbau haben werden.

Strasbourg, La Gare

Eine kleine Frau mit Riesenrucksack geht lächelnd neben ihrem Freund, die große Last mühelos tragend. Das Gewicht läßt sie leicht nach vorn gebeugt gehen.

Aber der Mensch mit Last auf den Schultern bleibt ein zweifüßiger. Der mit dem Rollkoffer, geht scheinbar leichter, hat aber zu den zwei Füßen noch vier Rollen bekommen.

Scheinbar schiebt er sich vorwärts, dabei rollt nur die Erde unter ihm weg und er bleibt immer gleich. Es braucht Maschinen, Hindernisse zu überwinden, welche die Erde den Rollen entgegen schiebt.

Wer sein Leben auf seinem Rücken trägt, kann jeden Berg überwinden. Es bleibt eine Frage des Verhältnisses von Kraft und Bewegung in der Zeit.

Wird die Last zu groß, muß der Mensch rasten. Allein er bleibt verführbar, seiner Hand unvertraut zu werden und sie an Rollen zu binden…

Langsamer knirschender Morgen

war der Titel eines Bandes Gedichte von Volker Braun. Als ich ihn das erste Mal las (1987 in der ddr) habe ich an einen Wintermorgen gedacht. Man möchte nicht aufstehen, die Wohnung ist noch kalt, ungeheizt, der Weg zur Arbeit führt durch Straßen, die von Kohlenrauch durchzogen sind. Es ist Frost, der Schnee alt und schmutzig, wenn man über die Straße geht, knirscht das Steinstreu unter den Füßen auf den Katzenköpfen. LKWs treiben trübe Funzeln Licht vor sich her, dazwischen quälen sich knatternde Zweitakter und Mopeds, Mütter mit Kindern auf dem Fahrrad durch die fahle Dunkelheit…
Alle auf dem Weg in eine Maschine, die mehr Lärm & Dreck macht, als daß sie Lebensnotwendiges produziert. Nein, der Weg ist schon die Maschine, schon das Aufstehen, schon das Schlafen war es. Der Morgen verspricht nichts als Knirschen. Langsam heißt, es ist Leben, daß sich knirschend fügt.
Das es mir einfällt, nach 35 Jahren und zwei Wochen Kälte und der Erfahrung, daß eine Maschine auch gut funktionieren kann. Nun fehlen Strom, Gas und riesige Aquarien platzen aus unerfindlichen Gründen und gießen ihr Wasser in Getriebe.

Kriegszeit

Die letzten 77 Jahre lebten wir hier ohne Krieg. Er ist mit fliegenden Fahnen zurückgekehrt, wie er im Anmarsch zu sehen war, ist er ebenso als das Offensichtliche von den meisten ignoriert worden.
Ist er da, spaltet er Freunde & Feinde, auch außerhalb der Kampfzone. Daß wir so lange lebten, ohne ihn ernst zu nehmen, rächt sich, wir müssen nun im Maßstab des Krieges lernen, ihn zu vermeiden.

Neal Stephenson läßt in Cryptonomicon seinen Helden (und Wiedergänger in weiteren Romanen) Enoch Root über zwei Wege des Kriegers erzählen.
Den des Mars als Haudrauf: brutal, gnadenlos, dumm, schlau, grob, eitel, plump, die Landplage des Landsknechtes mit Allem, was dazugehört.
Der Weg der Athene: klug & weise, defensiv und grausam, wo es nötig ist. Schild & Lanze – Verteidigung & Angriff, die Eule die denkt. Immerhin die Eitelkeit, sich dem Urteil des Paris zu stellen. Immerhin listenreich genug, Odysseus zu schützen.
Jeder Krieger folgt mal dem einen oder der anderen, nur eben mehr oder weniger.
Rußland auf dem Weg des Mars, den sich die Ukraine nicht leisten kann. Sie verdankt ihre Erfolge Athene.