Die Frage, ob es linke Tugenden gibt. Schaut man sie sich an, so steckt hinter jeder ein archaische, kollektivistische Tugend. Solidarität ist Stammeszusammenhalt, Gerechtigkeit ist Neid, Kampfesmut ist Wut der Masse. Es gibt offensichtlich keine. Es gibt aber und das immer mehr eine Eigenschaft. Die Feigheit. Die Feigheit, in der Masse zu sein. Nur dann zu agieren, wenn ich in der Masse bin. Es gab eine Zeit, da Linke lange theoretische Bleiwüsten fabrizierten. Von Marx zum Neuen Deutschland, von Adorno zur frühen Taz. Hier gab es Auseinandersetzung, auch die, die ihre Kraft aus dem Individuellen nahm. Die heutige Linke ist völlig kollektiviert hinter der Mauer der Sprachregelung. Die Feigheit ist der gemeinsame Nenner. Ein Ich, das sich nicht traut, selbst um sich zu sorgen, ist schon eine Prädestination für das Linkssein, nämlich nichts anderes, als der kollektivierte Neid auf Alles, was einen eigenen Gang, eine eigene Stimme, ein Denken und Handeln hat oder um es mit Kafka zu sagen, einem wirklichen Kopf, also auch einer Stirn, um mit der Hand an sie zu schlagen.