Was interessiert mich an den islamischen Aufklärern und die Wirkung ihrer Auseinandersetzung unter Muslimen und christlich geprägten Abendländlern?
Es ist die Verbindung der Frage nach der Freiheit und der Frage nach Gott. Es ist wie eine Reise in die Zeit des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, wo sich in Europa die Frage nach Gott und Freiheit zu trennen begannen.
Ich stelle die Fragen nicht theologisch, ich bin ungläubig.
Es ist auch biografisch, ich habe 27 Jahre in der DDR gelebt. Der Widerspruch zwischen Scharia und der offenen (und hoffentlich offen bleibenden) Gesellschaft, erinnert an die Existenz der DDR. Auf der einen Seite freier Westen, auf der anderen letzter Posten eines Experiments mit Menschen. Abhängig von westlicher Technologie, Wirtschaftskraft und einer ständigen Neudefinition von Fortschritt hinterherhinkend. Auf dem 11. Parteitag der SED wurde das Mantra der CADCAM-Technologie auf die Fahne des Fortschritts geschrieben; nur als ein Bruchstück aus westlicher Technologie geklaubt. Es hat etwas davon, als würde ein heutiger Schriftgelehrter den Nutzen des Mobiltelefones für die Übung der Unterwerfung herausstellen und das aus der Schrift herleiten als aus der Weisheit des Propheten und Gottes vorgeahnt. Als Mittel zum Sturz des Westens hier, da die westliche Technologie als Mittel zum Sieg des Sozialismus. Die SED-Kommunisten allerdings wähnten sich anmaßend in der Tradition der Aufklärung.
Der Islam wird von zwei Seiten bedrängt. Die westliche Freiheit und Innovation auf der einen und seine Anhänger auf der anderen, die eine lebbare Form der Existenz in diesem Widerspruch suchen, die vielleicht mehr als Koexistenz ist. Ob und wann daraus ein Aufbruch aus der Unterwerfung in eine Existenz offener Fragen geschieht und wie das geschieht?
Der Zusammenbruch des Kommunismus an seiner Unfähigkeit hat die Linke gedemütigt und sie in eine sich selbst blockierende Trotzhaltung gebracht. Die Unfähigkeit des Kommunismus bestand in der Unfähigkeit zu Gestalten. Gestalt entsteht aus dem freien Spiel von Zufall und Kreativität und nicht aus einem vorgedachtem Ergebnis, dessen Umsetzung erzwungen wird, wobei in dem Misserfolg des NichtGelingens der Zwang allein zurückbleibt. Was in der DDR funktionierte, funktionierte trotz des Systems DDR. Es funktionierte solange, wie die wichtigste wirtschaftliche Basis der DDR, nämlich die Vorkriegsware an Maschinen und Fachleuten funktionierte. Als der AEG-Motor aus den 30ern nicht mehr zu reparieren war, hörte das System auf zu funktionieren.
Es ist eine demütigende Erfahrung für einen Weltverbesserer, dass es zur Welt keine Alternative gibt. Es ist auch meine Erfahrung und die zugleich befreiende Erkenntnis, daß es nur Alternativen zwischen Wirklichkeiten geben kann. Man kann Ideen als Möglichkeitswirklichkeiten vergleichen und Existierende miteinander, aber das utopische Prinzip, eine Möglichkeitswirklichkeit mit einer Existierenden zu vergleichen ist klein. Zuerst müssen sich viele Ideen streiten, bis verschiedene zu existierenden Wirklichkeiten geworden sind und um Menschengunst konkurrieren.
In der Menschengunst am höchsten stehen zweifellos die verschiedenen Angebote, deren kreative Basis auf der Freiheit der Ideen, Menschenfreiheit, der Freiheit wirtschaftlichen Tauschs und der des Eigentums beruhen. Manche nennen das Kapitalismus. Der Versuch der Linken, als Teil des Systems Freiheit, sich mit dem Vehikel Antikapitalismus (Reigen, von etwas mehr Gerechtigkeit bis zu “Alles kaputtmachen”) herauszukatapultieren und von Außen zu wirken wird immer absurder. Freiheit wird als Kampfbegriff “Neoliberalismus” denunziert. Absurd, weil die Linke ja physisch-wirtschaftlich abhängig von der freien Gesellschaft ist, in der die Linken als Individuen leben. Heraus! und Abhängig!, dieser Widerspruch demütigt und verkleinert mit jedem Geschrei den Raum eigenen freien Denkens.
In der sich verengenden Spirale von Heraus! und Abhängig! befindet sich auch der Islam. Seine Freiheit besteht im Westen darin, seine Monokultur zu behaupten, in seiner geografischen Heimat wirken Behauptungsanspruch und technologische Abhängigkeit vom Westen.
Sich in einer ideologisch-materiellen Zwangslage zu befinden, scheint Linken und Islam gemeinsam zu sein.
Es stellt sich mir die Frage nach einer Auflösung dieses Dilemmas. Der Terror, der aus dem Islam kommt und sich mehr gegen sich selbst richtet, als den Westen, scheint darauf zu deuten, daß hier mit immer mehr Gewalt gegen eine Öffnung vorgegangen werden muß. Auch die Linke fürchtet um ihr Überflüssigsein, dabei könnte man doch gespannt sein auf ein Denken in einem offenen Raum und einem offenem Diskurs.