Ein Hund

Friedrichshain. Bio-Supermarkt. Kasse. Schlanker, großer, junger Mann. Pfeifend. Nicht, als hätte er gute Laune, eher diese demonstrierend. Einer der Lässigkeit demonstriert. Sich selbst demonstriert. Vor ihm eine kleine, rundliche, schwarze Frau, kurze Rastalocken, brauner Pelzmantel, Kunstpelz. Die Frau hat bezahlt, der Mann ist dran und sagt zur Kassiererin mit einem Seitenblick abwärts zu der kleinen, schwarzen Frau, die ihm den Rücken kehrt, sich bückt, ihr Eingekauftes einpackt: Oh, ich dachte eben, da wäre ein Hund.

Null Kontinuität

Was dem einen sein Sommer 1914, heißt dem anderen Willkommen im Sommer 2015. Beides ein Ende einer Zeit ohne Fakten scheinbar. Gut, Verdun ist keine Messerattacke und eigentlich hat das Eine mit dem Anderen nichts zu tun. Es hat überhaupt Nichts mit Nichts zu tun. Ich kenne keine Parteien ist nicht dann ist das nicht mehr. Konkret und zur Sache ist Alles nur ein Einzelfall und das Befinden darüber eine Privatmeinung. Jede Hölle mißt sich am Grad der Verwöhnung und jeder Aufbruch zu neuen Ufern an der Langeweile.

Die Wahrheit

Haben wir es nicht immer schon gewußt? Als Snowden auspackte, das Handy der Kanzlerin abgehört wurde? Wenn sie nicht weiter wissen, lassen sie die Faschisten marschieren. Wie 33, wie 53, wie 89, wie in Kiew, wie jetzt. Sie halten sie doch in der Warteschleife parat, wie das Terrortrio vom NSU. Wenn sie ihre Zeit kommen sehen, zeigen sie sich, die Fußtruppen derer, die im Dunkeln sitzen. Selbst wenn sie nicht da sind, sind sie da und lauern. Sie verkappen sich als Neoliberale, die einen Krieg gegen die Armen führen und sie noch verhöhnen mit: Du bist ja selber schuld! Die gegen die ganze Welt Krieg führen, gegen die Natur, gegen uns. Trumps Amerika, das mit den Bilderbergern und in Davos seine Netze spannt, Soros und Israel und die Kreuzritter, der Militärische Komplex, das Kapital in immer neuer Form.

Wir haben die Neuen Menschen in unser Land geholt, wir haben sie wilkommen geheißen mit unseren Herzen, wir haben unsere Menschlichkeit erneuert, sind selbst Neue Menschen geworden und viele, die vorher abseits standen, erstanden mit uns nun neu. Die Mehrheit war auf unserer Seite, die Journalisten, die Politiker, die nun keine Parteipolitiker waren, sondern mit uns. Ein Strom, eine Bewegung, ein Marsch. Wir hatten die Kanzlerin auf unserer Seite und auch die, die immer noch abseits standen, waren beeindruckt von unserem Gefühl. Die Dunklen, die mit “Bedenken” Zweifel säen wollten, wo es um Menschlichkeit ging, konnten entlarvt werden. Niemand konnte sich uns, dem Lachen und der Freude Neuer Menschen entgegenstellen.

Am Ende hätten wir den Dunklen die letzte Macht und ihr letztes Geld genommen. Und wir hätten es mit der Ganzen Welt geteilt!

Und die Hetzer, auch die sogenannten Liberalen, Meinungsfreiheit, Demokratie, ha; steckt nicht in jedem Deutschen ein Faschist? Muß man nicht gerade hier alles tun, um zu verhindern, daß die Rechten vormarschieren? Auch Hitler kam mit Hilfe der Demokratie an die Macht. Müssen wir die Zweifler nicht schützen vor falschem Bewußtsein?

Erst hat Trump gewonnen, dann hat das Wahlergebnis die Rechten leider gestärkt und der Verräter Lindner. Konnte Angela ihn nicht auf unsere Seite ziehen? Augstein und andere, die uns nun verraten, die plötzlich von einer Wiederkehr der Demokratie im Bundestag reden. Es geht doch wieder nur ums Geld. Die Rechten marschieren in Dresden, Kandel, Cottbus und nun sogar in Berlin. Aber noch geben wir den Kampf nicht verloren, der Kampf geht weiter.

Ein Fremdbeitrag

Der Hass auf die „Welt“, der Fluch auf die Affekte, die Furcht vor der Schönheit und Sinnlichkeit, ein Jenseits, erfunden, um das Diesseits besser zu verleumden, im Grunde ein Verlangen in’s Nichts, an’s Ende, in’s Ausruhen, hin zum „Sabbat der Sabbate“ — dies Alles dünkte mich, ebenso wie der unbedingte Wille des Christenthums, nur moralische Werthe gelten zu lassen, immer wie die gefährlichste und unheimlichste Form aller möglichen Formen eines „Willens zum Untergang“, zum Mindesten ein Zeichen tiefster Erkrankung, Müdigkeit, Missmuthigkeit, Erschöpfung, Verarmung an Leben, — denn vor der Moral (in Sonderheit christlichen, das heisst unbedingten Moral) muss das Leben beständig und unvermeidlich Unrecht bekommen, weil Leben etwas essentiell Unmoralisches ist, — muss endlich das Leben, erdrückt unter dem Gewichte der Verachtung und des ewigen Nein’s, als begehrens-unwürdig, als unwerth an sich empfunden werden. Moral selbst — wie? sollte Moral nicht ein „Wille zur Verneinung des Lebens“, ein heimlicher Instinkt der Vernichtung, ein Verfalls-, Verkleinerungs-, Verleumdungsprincip, ein Anfang vom Ende sein? Und, folglich, die Gefahr der Gefahren?

Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie. Versuch einer Selbstkritik, 5.

Assoziation einander versichernder Meinungen

Martin Schulz ist die Menschwerdung der sich gegenseitig versichernden Meinung ohne Unterschied. Mit anderen Verbindlichkeiten einzugehen, sich seiner Gemeinsamkeiten zu versichern aus der Unterscheidung heraus, das es eben gerade diese sind, gehört zum Funktionieren einer Gesellschaft. Treue, Geschäft, Versprechen sind solche Verbindlichkeiten. Eine Gesellschaft sich permanent gegenseitig Versichernder führt zu einem Konsens ohne Unterschied. Das Unterscheidende wird immer mehr als störend empfunden, da es aber gebraucht wird, wird es simuliert.

Um eine menschenfreundliche Gesellschaft zu simulieren, wurden in einem gesellschaftlichen Konsens Menschen in das Land gelassen, um an ihnen und an uns selbst Humanismus zu üben.

Der Einbruch der Wirklichkeit, nämlich des Unterschiedes und der Unterschiede fügt der Assoziation einander versichernder Meinungen Schaden zu, ja es gibt Opfer. Das Jahr des MS ist vorbei, die Zeit der Unterschiede möge kommen.

Loop

Mit den zusammengekniffenen Augen des weißen Clowns sitzt der Reiter auf dem weißen Elefanten im Raum und starrt voll Abscheu auf die Dummen, die mit den Fingern auf den Elefanten zeigen.

Der Reiter des weißen Elefanten treibt sein Tier in die Menge. Je mehr er es antreibt, desto mehr schwindet es, schmilzt in die Menge. Der Reiter steht auf dem Boden in der Menge, ein weißer Clown inmitten dummer Auguste. Der Elefant ist längst neu erstanden und steht vor der Menge im Raum. Die Menge wird größer, der Reiter möchte zurück auf sein Tier. Jedoch ein anderer Weißer sitzt schon oben und reitet den weißen Elefanten.

Die Augen der Menge sind tausend Schlitze. Sie sehen einen dummen August auf einem weißen Elefanten.

Quer über die Felder!

Führe das Pferd doch

quer über die Felder hin!

Kuckucksrufe

schreibt Matsumo Basho ein Haiku auf den Pferderücken. Der Bursche, der das Pferd geführt hatte, bat ihn um einen Vers. Amüsiert hatte sich Basho gefragt, was wohl in dem Burschen vorgehe.

Quer über die Felder! So schnell kommt kein Gedicht. Führe das Pferd über die Felder, jage hinterher, wenn du es vermagst zu fangen, fange auch den Vers und lies ihn. Wenn der Kuckuck, der Vogel der Dichter ruft, hast du den Vers vielleicht erreicht.

Matsumo Basho, Haibun No. 48

(Klammer vom 17. Juni 2018: Jeder Kenner Bashos wird die Mißinterpretation dieses Haikus sofort stirnerunzelnd bemerken.

Basho hatte soeben die alte Grenze vom Kernland zum Hinterland überschritten. Dichter, die dies vor ihm taten, schilderten den Übergang herbstlich.

Aus dem geordneten Kernland kommt man in das chaotische Hinterland, wo der Herbst an den nahen Winter erinnert, den man in der Wildnis schwerer übersteht.

Basho überschreitet die Grenze,  sich der Vergangenheit von Krieg und Chaos [auch im Kernland!] bewußt; aber im Frühling!, vielleicht auch in der Hoffnung auf Gedichte aus dem Neuen und Wilden heraus.

Über die Felder heißt eigentlich, daß der Bursche, der das Pferd auf dem Basho sitzt, führt, Basho nun auf dem Pferd sitzend über die Felder führen soll, wo in den Bäumen der Kuckuck sitzt.

Die wilde Landschaft hinter der Grenzschranke ist längst erschlossen, Wege führen durch die Felder gewordene Wildnis. Ist das wild, reitet man quer darüber?

Jedoch, daß es Grenzen gibt, die erinnert werden, in dem man ihre konservierte ehemalige physische Präsenz bewußt überschreitet, verstehe ich. Nach fast Dreißig Jahren noch ist jede Überschreitung des Katzenkopfpflasterstreifens, der den Verlauf der berliner Mauer markiert, mir bewußt.)

Straßenbahnkabuki

Das  Mädchen setzt sich neben den Jungen, aus seinen Augen strahlt den Blick lang Zuneigung. Das Mädchen, klein,  mit einem großen, schönen Gesicht. Hallo sie, hallo er. Beide, 15/16, sie vietnamesisch, er europäisch, groß und schlank. Ihre rot-geschminkten Lippen lächeln, das Gesicht zeigt Grübchen, wie um Distanz, Widerspruch bemüht. Ein Gesicht, um beobachtet zu werden, die Schminke Requisit nicht nur um des Zeigens willen, auch um des Sagens wollen. Ob sie das ist für ihn oder sich selbst oder des Spiels wegen oder aus Scham und Lust oder um dem Zweifel so nahe zu sein, wie möglich? Und der Bewunderer daneben, distanziert auch, wenn nicht sein Blick immer wieder.

Reverse Engineering

Nehmen wir einmal an, CO2, Klima, So wie wir heute leben, werden wir morgen sterben, stimmte. Gäbe es Gott, müßte er nicht Propheten schicken, mit der Gabe der Rede, der Überzeugung, der Demagogie? Oder müßten nicht wenigstens Heerscharen von Büßern barfuß, sich peitschend durch die Straßen laufen? Und Massen folgten ihnen, sich den Kohlenstoff von den Knochen reißend und Umkehr schreiend? Oder wenigstens gibt jeder, der davon überzeugt wäre, eine persönliche Verpflichtungserklärung ab. Oder allerwenigstens eine Absichtserklärung. Zumindest ein Statement, schonmal Kohlenstoff gespart zu haben. Das schon. Glauben Sie das?

EineWelt

Stellen Sie sich folgende Szene vor. Eine Gruppe Fremder wird umstellt, zusammengedrängt und abgeführt. Polizei ist im Einsatz, unterstützt von einem Zug Bundeswehr (Plötzlich & Unerwartet wurde das Grundgesetz geändert), Zuschauer applaudieren den Einheiten. Manche in Jogginghosen, manche in Jeans, Fell- oder Funktionsjacken, mit Leinenbeuteln oder Handtaschen: Du oder Deine Frau oder eines Deiner Kinder sind auch dabei und applaudieren.