Inseln des Handelns

Das Bild des Weges, der eine Kausalkette unseres Lebens als Erzählung darstellt, ist schon immer zu einfach gewesen. Der Scheideweg, an den Herakles gerät, die Schöne die ein leichtes Leben verspricht, die Häßliche, die Steine in den Weg legt.

Wenn Leopold Bloom an einem Tag durch Dublin geht (ein heute noch nachvollziehbarer Weg), passieren bei jedem Schritt Explosionen von Ausdrücken des Seins. Auch Tristram Shandy bewegt sich mehr rückwärts.

Die meißten verabscheuen Herbstregen, wappnen sich oder versuchen zu vermeiden. Egal was wir wähnen, versuchen oder vermeiden wollen, jetzt eben werden wir von Strömen bewegt und nur manchmal finden wir auf Inseln kurz Ruhe.

Kaum festen Boden unter den Füßen, erklären wir den Nächsten den Krieg, denn die Quadratmeter sind rar. Oder wir stellen uns an den Rand und schauen auf die tosenden Wellen, die uns eben noch trieben und erklären ruhig den andern die Welt.

Im Zeitalter des Wunschdenkens

Wir leben im Zeitalter des Wunschdenkens, in der Zeit in der es den Anschein hat, daß die Wünsche in Erfüllung gehen. In den Märchen gingen sie in Erfüllung und die Menschen liebten sie, wohl wissend, daß sie niemals wahr werden würden.

Das größte utopische Wunschdenken scheiterte 1989 an der Realität. Die gekränkte Linke ist seitdem auf der Suche nach Objekten für ihre Projektionen. Dabei gerät sie in gefährliche Fahrwasser multipler kognitiver Dissonanzen. Antisemitismus ist Klassenkampf, Arbeiterklasse ist reaktionär, Gleichheit für alle, aber technischer Fortschritt nicht für alle.

Noch nie gab es so viele mythische Parallelwelten wie heute. Bücher, Filme, Spiele erfüllen die Wünsche des Menschen nach Vergessen. Wer keinen Hunger, keine Kälte, keine Not kennt, findet in der Hölle der erfüllten Wünsche keinen Trost und sucht ihn in den tausenden Trivialutopien, die die Medienwelt über uns ergießt.

Die Linken kämpfen nicht mehr um die Wirklichkeit des Lebens, sondern um die des Wünschens. Sie treten in die Lücke, die die große Schwäche des modernen Menschen, sein Kampf um die Sehnsucht nach einer Traumwelt läßt.

 

 

Der Triumph der Hamas

Handeln heißt, am Absoluten Verrat üben. – Emile Cioran

Der Islam, der das archaische aus dem Gefühl heraus handeln, nämlich das der Vergeltung, in ein System gleichzeitiger Unterwerfung als einzige Möglichkeit, sich der Vergeltung zu entziehen, integriert hat, steht den Gesellschaften der Sublimation archaischer Gefühle feindlich gegenüber. Ein Europäer oder Japaner oder Chinese wird diese Unterwerfung möglicherweise als Vergeltung empfinden. Der Islam sucht seine Opfer außerhalb seines Kreises. Der Ungläubige muß getötet oder unterworfen werden. Der Fremde ist das Opfer; das Fremde, das ausgemerzt werden muß. Insofern hat der Gläubige im Islam keine Gewissenskonflikte, weil das Opfer, das Opfern nicht aus ihm selbst kommt. Er muß nicht für seine Sünden büßen, nur bekennen und sich beugen. Er ist gewissermaßen frei wie ein Mensch, dem immer gesagt wird was zu tun sei, befreit von den Qualen die die Entscheidung bereitet.

Immer ist der andere, der Ungläubige schuld. Hier besteht der größte Gegensatz zum Judentum; indem es nicht nur der Rache, als auch dem Bedürfnis nach ihr und selbst dem Opfer, das eine rituelle Aufhebung der Rache auch darstellt, seit Mose abgeschworen hat und mit den Zehn Geboten die Zivilisation über das Archaische stellt und dies seit 3000 Jahren praktiziert.

Der größte Triumph der Hamas und aller fanatischen Moslems ist, die Juden des Verrats ihrer tiefsten Seinsgründe überführen zu können. Die ständige Provokation des israelischen Militärs zu Handlungen, die man als Rache und Vergeltung betrachten könnte, liegt darin begründet.

Das verinnerlichte Verbot von Rache und Opfer im Judentum und daß hier niemand gebraucht wird, der für irgendwas verantwortlich zu machen ist was nicht gelingt, stellt für alle ressentimalen Bewegungen eine Provokation dar. Hier trifft sich die Linke mit dem Islam und allen anderen, denen die Selbstgenügsamkeit des Judentums als ein Affront gegen sich selbst empfunden wird.

Wenn also zu beobachten ist, daß im Vorgehen der IDF gegen die Hamas in Gaza das eben auch offensichtlich nicht zu unterdrückende Bedürfnis nach Rache und Vergeltung das Handeln der Soldaten beeinflußt, so ist dies der Triumph der Hamas.

Daß eine internationale ressentimistische Linke Triumphorgien feiert, sagt nichts über Juden, Israel oder die IDF, aber alles über die Linke und ihre Verbundenheit mit dem Islam.

Depublikation

Der Westen hat sich in den 90ern in eine Idle-Time begeben, in der das Notwendige links liegen gelassen und das Bequeme konsumiert wurde. Die Folgen wirken längst. Die Sprache ist zwar etwas in Richtung Klarheit gerückt, das Handeln nicht. Die Idle-Time der USA hörte am 11.9. auf, die Reaktionen auf den islamischen Terror, (sein Krieg gegen den Westen) waren jedoch immer wieder durch das bequeme Appeasement unterbrochen worden. Auch hatte man sich überschätzt hinsichtlich der nachhaltigen Wirksamkeit der Kriege im Irak und Afghanistan.

Europa hat nicht angemessen auf Rußland reagiert und hechelt nun hinter dem Notwendigen her. Es verschlief Reaktionen auf linken und islamischen Judenhaß in den eigenen Grenzen und muß nun versuchen, einen unter der Oberfläche schwebenden Bürgerkrieg zu dämpfen.

Israel hat sich niemals eine Idle-Time leisten können, möglicherweise ein bißchen doch, denn die Offiziere der IDF haben ihren Soldatenfrauen, die an der Grenze zu Gaza die Vorbereitungen der Mörder beobachtet haben, nicht richtig Glauben geschenkt.

Die Reaktion Israels ist für die Bevölkerung Gazas grausam, für die Existenz von acht Millionen Juden und zwei Millionen Arabern jedoch notwendig. Eine Bevölkerung, die ihre Kinder zu Mördern erzieht und Vergewaltiger feiert und ihre Opfer verhöhnt, bekommt das Notwendige (für Israel) solange, solange sie nicht die Geiseln heraus- und den Terror aufgibt. Das Notwendige kann grausam sein, etwas was für uns im Westen sehr unbequem ist.

Maxim Biller hat das so formuliert und sein Unbehagen an der Grausamkeit ist zu spüren und ehrt ihn. Wer so einen Witz zweimal erzählt, möchte ihn eigentlich nicht erzählen müssen.

Depublikation als Wort soll wohl ein euphemistisches Vermeiden des Wortes Zensur unter dem Druck eines Shitstorms sein. In der Berliner Zeitung kann man ein paar dieser Einwände lesen. Ich wünsche diesen Autoren mehr Selbstzweifel und weniger Haltung und die Muße, den Artikel Billers genau zu lesen.

Die Wochenzeitung Die Zeit hat ihre beste Zeit hinter sich.

Die

denen die Freiheit nicht reicht, die sie (als könnte man das) neu erfinden wollen und sie dabei zerstören.

Köln 75 – 2 Frauen, 2 Lebensbetrachtungen, 1 Künstler

Und alles schwieg. Doch selbst in der Verschweigung
ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor.

R.M.Rilke: Sonette an Orpheus

Der Spielfim Köln 75 ist ein wunderbarer Film, indem es um das Ringen eines Pianisten geht, dem Versuch, aus einem bedingungslosen Anfang Musik zu spielen, die nur im Augenblick existiert. Er leidet an Rückenschmerzen, an seiner Angst bei jedem Auftritt, an jedem Huster im Publikum.

Es geht um die Emanzipation einer sehr jungen Frau, die Alles gibt, um diesen Augenblick möglich zu machen. Die noch mehr gibt, als das Scheitern droht und die diesen Augenblick gewinnt, obwohl sie aus Angst an ihm nicht teil hat.

Es geht auch um ihre Freundin, die die Welt, in der sie lebt zerstören möchte (macht kaputt, was euch kaputt macht). Obwohl sie sie vorher gerne noch kennen lernen würde.

Und die, wie fast alle im Saal 70 Minuten Schönheit gewinnt, für die es sich lohnt, daß diese Welt existiert.

Emanzipation

…die Gleichung von Bürger und Mensch geltend zu machen, wobei man entweder die Adligen als Sezessionisten der Menschheit abschaffen wollte oder die Menschheit insgesamt in den Adelsstand zu erheben suchte,…

Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern, S. 26

Hier werden zwei Prinzipien der Emanzipation erwähnt: das jacobitische, welches alle Abweichungen nach oben guillotoniert oder das sozialdemokratisch-reformistische, welches Emanzipation als Bildung  und dem damit verbundenen Aufstieg begreift.

Die heutige postkoloniale, antirassistische, feministische, linksidentitäre und Gender- Ideologie kennt allein den jacobitischen Weg. Der Weg der individuellen Anstrengung ist nicht mehr vorgesehen, man schließt sich zu Gruppenidentitäten zusammen, die davon leben, die zu denunzieren, zu bekämpfen, die das individuelle Glück und Fortkommen in der eigenen Leistung sehen und suchen.

Hier geht es um Gruppen, die zwar ihre Gleichheit vor dem Gesetz erkämpft haben, aber in ihrer Freiheit eher eine Zumutung sehen; lieber wollen sie im Nachhinein diejenigen bestrafen, die sie in diffusen Ressentiments für das eigene Scheitern verantwortlich machen.

Hier endet die Aufklärung, in der das Individuum aus Ständen, Klassen, Rassen und Geschlechtern als solches heraustritt, einen erweiterten Möglichkeitsraum betritt, nun soll es sich wieder in Gruppen einreihen. Was progressiv deklariert wird, ist ein Rückschritt in eine tribale Archaik, es ist die Reaktion auf die Freiheit.

 

Nachträglich zur Grausamkeit

Die Frage warum die eigentliche Gefahr übersehen und die nächste und größte von so vielen in D übergangen wird. Natürlich ist es gut gegen Krieg zu sein. Aber wie verhindert man ihn, wenn es welche gibt die das Messer wetzen? Eine Form des Sichtotstellens ist die Ersatzhandlung. (siehe Freud, Gunnar Heinsohn etc) In kollektiver Form entstanden solche nach großen Katastrophen in archaischen Gesellschaften, indem diese nachgespielt wurden und der, der den vermeintlichen Verursacher spielte, geopfert wurde. Ein Ritual der Gewalt und der Katharsis. Die Geburt der Götter und der Kunst.

Nun meint man heute vielleicht, man kann Gefahren beschwören, indem man ihnen die Namen grausamer Götter gibt und Andersdenkende in ihre Anhängerschaft gruppiert. Damit scheint man auf der richtigen Seite zu stehen.

 

Vertrauen und Zweifel

Nichts zu glauben und an Allem zu zweifeln scheint angebracht in der Kakophonie der Meinungen, Studien, Handlungen. Solange man passiv ist, eine machbare Strategie.

Aber wenn ich mich, seis aus Not, seis aus eigenem Willen auf einen Weg begebe, brauche ich Vertrauen und Glauben. Glauben an die richtige Wahl des Wegs und Vertrauen in andere.

Aber wenn plötzlich ein Stein im Weg liegt und die, denen ich vertraute falsch lagen und ich beginne an meinem Weg zu zweifeln?

Dann muss ich dem Zweifel vertrauen um das Vertrauen nicht zu verlieren. Ich werde handeln müssen und es wird nicht ohne Selbstvertrauen gehen. Ich werde wohl den Stein zu einem Teil von mir selbst machen müssen.