Die Selbstaufgabe des Menschen angesichts der Komplexität, die als solche schon, aber als immer undurchschaubarer wahrgenommen wird, je weiter der Mensch sie durchdringt und sie durch seine Erkenntnisse und Schöpfungen für sich selbst erfahrbar macht. Das Problem der Re-Produktion der Natur (unbelebt und belebt), der Reproduktion ihrer Komplexität in Erkenntnis und Nach-Schöpfung, das den Menschen selbst vor der eigenen Schöpfung mutlos erscheinen läßt.
Die Reproduktion der Natur als Technik wird in ihrer Komplexität heute ebenso bedrohlich wahrgenommen, wie die Natur durch die sie durchstreifende Horde einst.
Die Natur wurde nicht durch Technik ersetzt, sondern hat die Technik selbst durchdrungen, wie die menschliche Arbeit, sein Gehirn, selbst auch Natur sind.
Die Lösungen, die gesucht werden, das Chaos, als das sich die Komplexität vor den Menschen stellt, scheitern, wenn sie sich als ein Auge sehen, das auf eine Maschine starrt. Diese Lösungen sehen den Menschen neben der Maschine, sie benutzend und damit zerstörerisch wirkend. Sein Selbst als scheinbarer Konsument zu beschneiden, wird als letzte Lösung angesehen.
Diese Vertreter eines neuen Unterkomplexen erscheinen wie ein Stillstand in der Bewegung und werden wahrgenommen als Felsen der Rettung vor der unendlichen Flut der Komplexität.
Es hilft nicht, auf diesen Inseln Schutz zu suchen, der Mensch kann gar nicht anders, als weiter an der Durchdringung seines Chaos und damit seiner Vermehrung zu arbeiten.
In dieser Flut mitzuschwimmen und schwimmend zu lernen zu schwimmen, anstatt weggespült unterzugehen.
Aber vielleicht schafft die Angst, in der Flut sein Selbst zu verlieren, erst das verlorene Selbst des Ängstlichen?
Autor: pylop
Sozialdemokratie & Klassenkampf
Die Sozialdemokratie hat von Anfang an versucht, das Ressentiments gegen den Besitz einzuhegen. Die Deradikalisierung des Klassenkampfes gehört im Rückblick heute zu ihren nicht unerheblichen Leistungen. Nicht die Reichen an die Laterne, sondern die Arbeit an einer weniger ungleichen Gesellschaft.
Die letzte Tat in dieser Hinsicht waren die HartzIV-Reformen, der Erkenntnis geschuldet, daß Ausgleich nicht nur in eine Richtung funktioniert.
Die Sozialdemokratie hat sich nicht gescheut, aktiv gegen Radikalismus vorzugehen. Dazu gehört sowohl ihre Aktion gegen den Spartakistenputsch 1918/19, als auch die gegen die RAF.
Man vermißt dieses Vorgehen heute gegen den politischen Islam.
Sie hat an einem politischen Haus mitgearbeitet, an einem demokratischen Gemeinwesen, dessen Spaltung sie derzeit aktiv mitbetreibt. Ihre Re-radikalisierung, ihre Abkehr von ihren Wählern, wird nicht honoriert. Als wäre die Beschimpfung das Mittel, Menschen zu gewinnen.
Die Perpetuierung des Feindbildes
Eine Bewegung, die aus dem Ressentiment kommt, die an ihrer Existenz zweifeln müßte, würde sie die Ressentiments nicht ständig auf-Recht-erhalten. Der Mangel an Feinden, produziert neue Feinde.
Stalin hat in Prozenten gedacht, eine Zeitlang ohne Terror läßt diese nach oben schnellen.
Pol Pot war konsequenter, sein Credo eigentlich müßte man Alle umbringen – denn Alle sind Feinde.
Der Nationalsozialismus baute auf dem Ressentiment, daß alle anderen Völker desto minderwertiger sind, je mehr sie dem Judentum nahe stehen: Sie wollen uns (Deutsche) vernichten, deshalb müssen wir kämpfen.
Die Kampfrhetorik ist hier von Beginn an auf der Stufe des Ausnahmezustandes, der nur noch in den Kriegszustand wechseln muß. Die Möglichkeit des eigenen Untergangs ist dem inhärent.
Was hätte Hitler nach einem totalen Sieg noch tun können?
Stalin hat durch die Erfahrung der 30er Jahre, der Selbstverständlichkeit des Mordens, dem Angriff Hitlers entspannt entgegensehen können. Der Feind vor den Toren seiner Stadt (es wird ihm wohl doch auch mulmig gewesen sein); die mobilisierte Gesellschaft ersetzt die konstruierten Feinde gegen den echten. Ein Training der Opferbereitschaft während des Terrors schafft die Voraussetzung für das Durchhalten in größter Bedrohung und die Voraussetzung zum Sieg.
Ein ideologischer Sieg Stalins bis heute: alltäglich wagt es kaum einer, Hitler & Stalin zu vergleichen, sie in ihrer Monstrosität gleich-zu-setzen.
Keine Vor-Urteils-Gefühle zu haben, gegen niemanden – durchaus ein Indiz persönlicher Freiheit, wäre die Voraussetzung für den vorbehaltlosen Vergleich von Nationalsozialismus und Linken.
Der real-existierende (poststalinsche) Kommunismus ist untergegangen, weil er sich ökonomisch keine Feinde mehr leisten konnte und sich auf das Feld der Argumentation einlassen mußte.
Die Linken von heute haben sich nie einer ernsthaften Diskussion über die Gründe des Scheiterns der kommunistischen Gesellschaften gestellt. Die das taten, hörten auf Linke zu sein.
Sie gehen erneut den Weg der Verschärfung des Ressentiments. Daher die Totalität der Feinderkundung, Aus Nicht-Linken werden Rechte, werden Rechtsradikale.
Die gesamte Menschheit wird zu ihrem eigenen Feind erklärt – das Prinzip Pol Pot globalisiert.
Die Eskalation von Sieg & Niederlage als der Kampf um das Klima. Die Menschheit auszurotten um die Natur zu retten. Keine Zuflucht im Dschungel von Kambodcha danach. Ein suizidales Konstrukt das jeden, der das teilt, zu Insassen des Bunkers im Endkampf macht.
Die Romantik der Eschatologie, eine Begleiterscheinung des Weltkriegs Eins.
Der Auftritt eines unsichtbaren Feindes aus Wuhan schafft ein Dilemma: Bei allem Weltuntergang, sowas hätte man nicht erwartet. Die Legende, daß die Natur sich rächen würde, scheint wahr oder nicht, je nach Nachrichtenlage, ob das Virus menschengemacht sei oder nicht, die Maßnahmen angemessen sind oder nicht.
Die Erklärung der Kritiker der Maßnahmen zu Feinden geht erst auf, aber ein Teil der Kritiker sind liberale, individualistische Linke, die wie aus einem Nirvana auftauchen.
Es findet eine Auseinandersetzung wie zum Ende des Kommunismus statt. Die Linken müssen sich auf Argumente einlassen.
Emanzipation & Antisemitismus
Es geht nicht um die Emanzipation von Gruppen, sondern um die des Denkens und damit um das Ankommen in der Welt. Dieser Anspruch geht an Alle; an jeden, dem das Ressentiment den Grund des Seins gegen seine Unterdrückung liefert. Das Verb liefert zeigt den Konsumtionscharakter dieser Haltung.
Parteien in Auseinandersetzung und Streit können sich plötzlich auf Eines einigen, nämlich die Denunziation alles Jüdischen. Der Irrgarten des Ressentiments, seit Jahren verwildernd kumulierend, je mehr irre Täter-Opfer-Phantome projiziert werden, wird plötzlich verlassen und man einigt sich darauf, daß der Jude schuld sei.
Wenn Emanzipationsbewegungen global ins Irrationale abdriften, zu Alle-sind-gleich, zu Alle-unter-die-gleiche-Knute, zu einem universellen Opfer-Täter-Schema, das letztlich sämtliche Rationalität verloren hat, dann braucht es den Welt-Täter, den, der scheinbar immer schon international gehandelt hat.
Es ist das Spiel unter Farblosen: Wer eine Farbe hat oder an wem man überhaupt eine solche vermuten kann, nur der kann noch als Täter in Frage kommen.
Das Ressentiment derart auf den Hund gekommen, daß es jeden nimmt, der benennbar ist.
Damit kann jeder Opfer oder Täter sein, eine Individuation von Rollen, aber ein Verlust der Individualität.
Insofern könnte ich Jude sein, nähme ich die Rolle an.
Es gibt nur eine Emanzipation: die des Individuums zu seinen Möglichkeiten.
Machtspiele
Wenn es nach Nietzsche einen Willen zur Macht gibt, die Demokratie der Ausgleich des Ressentiments, wie äußert sich dann der Willen zur Macht im Mittelmäßigen?
Alles drängt in die Mitte, aus der Mitte der Mitte schiebt sich ein Führer, dem die Masse anerkennt, daß er das mehr verkörpert, was alle sein (mittelmäßig) und nicht sein (ein Führer) wollen.
Demokratie, wie ich sie verstehe, ist der Ausgleich, der ermöglicht, daß sich alle entfalten können. Das herausragend Innovative, wie das bewahrend Konservative. Der Schutz des Eigentums und der Schwachen. Der Ausgleich wird nicht ohne Kampf gefunden. Die einen wollen ihr Eigentum, den Anspruch auf das Herausragende bewahren, die anderen fordern Gerechtigkeit aus der Ohnmacht heraus.
Jetzt eben und einige Zeit schon gerät die Balance zwischen Ressentiment und Anspruch immer mehr ins Rutschen zugunsten des Ressentiments. Ja selbst die Eliten verwenden es gegen sich selbst.
Die scheinbar unermeßlich verfügbare Menge Geld, das ja nur ein Ausdruck real verpfändeten Eigentums, fest und geistig, ist, hat Teile der Besitzenden verführt, umzuverteilen. Das Ressentiment gegen sich selbst den Besitzlosen anzubiedern und sie gleichzeitig zu betrügen, denn wenn das Geld in der Masse wertlos wird, wird der verbleibende Besitz umso wertvoller.
Es gibt eine neue Klasse des Mittelmaßes und wenn sie sich selbst nicht in den Arm fallen will, muß sie nach Totalität streben.
Sie scheinen meilenweit von ihren historischen Vorgängern entfernt zu sein, aber auch Stalin, Pol Pot oder Mao waren nicht die Herausragenden im Können, sondern die des Mittelmaßes.
Die Neuen streben zur Macht, die sie vorgeben überwinden zu wollen. Sie können sie nur durch scheinbaren Nicht-Machtwillen durchsetzen.
Damit verwenden sie das Ressentiment als stumpfe Waffe, was ja hieße, das sie mit klugen Spitzen zu schlagen wären.
Great Reset
Falls diese Theorie stimme, daß Globale Mächte die extreme Reduktion des CO2-Verbrauchs anstrebten, weltweit und in jedem Land. Hätte das nicht einen Rückgang der Mobilität zur Folge? Rückgang der Mobilität von Waren, Menschen und Informationen? Den permanenten Lockdown der Völker in ihre Heimatländer. Die nun, auf ihre unmittelbare Umgebung angewiesen, begännen, mit dieser zu wirtschaften, zu arbeiten. Ein My-Nation-First-Programm für jedes Land.
Erzeugten die Globalisten nicht damit ihre Totengräber?
Und hätte die Abschneidung internationaler Verbindungen nicht zur Folge, daß die Arbeitsteilung wieder mehr national wäre? Und damit das Gegenteil des Beabsichtigten erreicht werden würde?
Also entweder sind die Globalisten dumm oder diese Theorie ist falsch.
Kosmische Gefahren
Seit Menschen in größeren Zusammenhängen leben & arbeiten, denken sie auch in kosmischen Zusammenhängen. Das Dasein in der Natur, mit ihren den Menschen umgebenden, unmittelbaren Gefahren geht in einem kulturellen Kontext auf. Aber unsere Ur-Angst unter all dem neuen Wissen ist bis heute geblieben.
Sie strebt an die Oberfläche und nimmt mit, was an Wissens-Fetzen zu greifen ist. Die vorsichtige und ängstliche Menschen-Horde, die ums Über-Leben durch die Savanne zog, hat sich in eine Welt-Horde verwandelt, die ängstlich auf ihrem Planeten durch das Universum wandert, mit denselben Irrationalismen wie vor 20000 Jahren.
Restrisiko
Das Restrisiko zu sterben, ist erstaunlich hoch, wenn man die Sache vom Ende her denkt. Bis an die technische Moderne heran bestimmte im Bewußtsein der Menschen weitestgehend der Zufall den Tod. Der Zufall war zugleich Trost und hieß Gott. Medizinischer Fortschritt unter anderem führt zu wissendem Handeln, vermindert den Zufall. Die Verlängerung des Lebens und seiner Qualität sind die Folge. Aber sein Restrisiko verringert sich nicht. Eine Verhältnisrechnung – hier Verlängerung, da Verringerung – geht, was den Tod betrifft, am Ende nicht auf. Denn man kann die Spanne zwischen Eins und Null nicht unendlich verlängern, indem man, je näher man der Null kommt, immer noch einen Teiler findet. Nur im Märchen verhandelt der Held mit dem Tod.
Je mehr man über medizinische Zusammenhänge weiß, desto mehr wächst die Komplexität möglicher Ursachen dessen, was eigentlich zum Tod eines Menschen führt. Obwohl jede einzelne Teil-Ursache wissenschaftlich benannt werden kann, weiß man eben vieles nicht und so bleibt ein Rest. Die Machbarkeit der Dinge, die unsere Lebensqualität erhöhen und unser Leben verlängern, stößt an die Grenze, die der Tod setzt
Gesetzt den Fall, sämtliche Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von Sars-Cov2 würden Tod und Tode zumindest im Microbereich verzögern, so bleibt doch eine ungeheure Last, die auf das Kollektiv verteilt wird. Weil durch eine Verkettung von Zufällen irgendwo ein Jemand sterben könnte, weil ich jemandem zu nahe gekommen bin, werden Kausalität und Zufall mit Schuld verknüpft. Die Verkettung von Faktoren, die im Möglichkeitsspiel mit anderen zum Tod führen könnten, wird in einen Schuldstring verwandelt.
Die Last auf dem Kollektiv kann für den Einzelnen aber auch Macht bedeuten: Ich trage eine Maske und verhindere Tod. Eigentlich ist derjenige, der glaubt mächtig zu handeln, so ohnmächtig wie der scheinbar Schuldige auch: Wie möchte er in der Komplexität von Krankheit und Tod nachweisen, daß sein Handeln Tod verhindert hat?
Sosehr es im allerkleinsten Fall sein kann, daß irgendwas irgendwas bewirkt haben könnte, könnte es das eben auch nicht. Aber wenn das Handeln des Einzelnen im Kollektiv derart aufgeladen wird, daß das Zufällige besonders wird, obwohl es für ihn nicht sichtbar ist, braucht er eine Erklärung, die nicht mehr rational ist. Sie steht als Ersatz für die fehlende Kausalkette, tritt aber nach wie vor als rational in Erscheinung. Die Maske und das Abstand-Halten mögen daher scheinbar rationales Handeln sein, die Art, wie der Einzelne das betreiben muss, um die für ihn fehlende Kausalität zu ersetzen, ist jedoch ein Ritus.
Die Natur beseelt zu finden, sich Götter mächtig und unsterblich zu denken, an Tod und Auferstehung Jesu teilzuhaben, in der Hoffnung, daß das Restrisiko gemindert werden kann. Der Glaube an eine unsterbliche Seele, kann dem Einzelnen die Kraft geben, den Verführungen von Macht, Kollektiv und Besitz zu widerstehen. Er kann ihm die Angst vor dem Tod nehmen. Mit und neben einem starken Gott kann der Einzelne stark genug sein, anderen Menschen zu widerstehen und ihnen gleichzeitig zu vertrauen.
Das Gewissen ist ein inneres Gespräch über die persönliche Verantwortung
Das schlechte Gewissen ist die Angst vor der Autorität, sei sie göttlich oder menschlich. Das schlechte Gewissen macht unfrei, z. B. das schlechte Gewissen, weil ich an dem Ritus nicht teilhabe oder ihn gar verweigere.
Schuld ergibt sich aus den Folgen einer Tat. Der Tathergang muss aber konkret nachvollziehbar sein, ich muss Antwort geben können auf meine Tat. Schuld ergibt sich aus den Folgen einer Tat. Der Tathergang muß aber konkret nachvollziehbar sein, ich muß Antwort geben können auf meine Tat. Wenn die konkrete Verbindung eines Hergangs nicht existiert, nur ein Es-könnte-sein, kann ich aber keine Antwort auf das geben, was ich getan habe. Wenn man mir vorwirft, daß irgendwo jemand sterben könnte, weil ich den Ritus nicht eingehalten habe, wird mein schlechtes Gewissen mit konkreter Schuld verknüpft.
Archaische Gesellschaften schützen sich vor Bedrohungen ihrer Stabilität durch das Tabu, also das Verbot von Handlungen um Komplexität zu vermindern. In einer Welt, die bedrohlich und komplex genug ist, ist diese Reduktion eine Überlebensstrategie.
Spätestens seit der Aufklärung versuchen wir bewußt Komplexität zu verstehen, sie nicht zu negieren und zu tabuisieren. Abstandsriten, wie sie derzeit praktiziert werden, sind eine Form des Tabus. Für Menschen, die sich „in jenem stillen Zwiegespräch zwischen mir und meinem Selbst“ (Hannah Arendt) befinden, sei es, ob Gott dabei eine Rolle spielt oder nicht, ist die Verknüpfung von Tabu und Schuld eine Kränkung.
Plötzlich merke ich, daß ich nicht per se frei bin, sondern abhängig von den Grundrechten einer freien Gesellschaft. Wenn ich so massiv und plötzlich per Verordnung meines aus dem Gewissen ableitbaren Handelns beraubt werden soll, damit Tod verhindert wird, führt dies zu einer Verminderung der Handlungsfähigkeit. Unbeweglichkeit aber verhindert Möglichkeiten, Möglichkeiten die an anderer Stelle gebraucht werden. Das Geheimnis einer freien Gesellschaft ist, daß sie sich selbst hilft, wie ein Organismus, der nur die nötigsten Regeln braucht.
Das Problem
Wir befinden uns im Moment in einer Situation, in der das Problem nicht zur Lösung passt. Die erhoffte Wirkung trifft nicht ein, die Lösung ist eine, in die sich die Anleitung zum Unglücklichsein geschrieben hat.
Es geht offensichtlich nicht um das allgemeine Wohl. Dazu würde die Analyse des Unwohls gehören, nämlich das richtige Problem zu benennen. Wo verbreitet sich das Virus und wie groß ist eigentlich die Gefahr, wird aber nicht gefragt. Stattdessen definiert die Lösung das Problem: Alle tragen überall Masken, also verbreiten alle überall das Virus. Man ist erstaunlich unfrei, wenn man sich immer erst fragt, wie die Sache ausgeht.
Freiheit und Willkür
Daß Freiheit enttäuschend sein kann, schafft den Wunsch nach Regeln, einer Unfreiheit, in deren Schatten das Bedürfnis nach Sicherheit als Freiheit empfunden werden kann. Die Durchsetzung des Willens der einen gegen die Freiheit anderer ist Zwang. Die einen nehmen sich die Freiheit, Zwang auszuüben, die anderen haben ein Bedürfnis nach Zwang und die dritten werden gezwungen. Verändert der Zwang seine Richtung, nicht nach dauerhaften Regeln, sondern wie es gerade paßt, ist das Willkür. Die Willkür richtet sich aber auch gegen die, die sich eben noch ihres Willens zur Unfreiheit sicher waren. Willkür und Unfreiheit schaffen deshalb keine Sicherheit, sondern immer mehr Unsicherheit, die ja gerade mit der Abschaffung der Freiheit beseitigt werden sollte. Welche Regeln morgen gelten, weiß keiner.
Ich fühle mich sicher, wenn ich selbst entscheiden kann. In der derzeitigen Unfreiheit fühle ich mich unsicher, weil ich nicht weiß, was gilt. Ich muss daher den Entscheidern vorwerfen, daß sie dem Unsicherheitsgefühl nachgegeben und damit die Willkür mitverursacht haben. Es geschah nicht ohne Einverständis aus und in die Situation der Unsicherheit. Wenn sich aber die Regierenden als die einer freiheitlichen Demokratie verstehen, ist es ihre Pflicht, darauf zu achten, nicht in die Falle von Unfreiheit und Willkür zu geraten.
Vor einem Jahr hat eine Mehrheit gewählt, sich zu unterwerfen, die Regierenden dazu aufgefordert, diese Maßnahmen zu vollziehen. Aber jetzt sieht man sich in einer Zwangsjacke, die man so nicht wollte. Selbst der treueste Bejaher aller Maßnahmen sieht ihre Unstimmigkeiten in ihrer Willkür. Scheinbar rationale Maßnahmen-Muster zeigen immer deutlicher ihren Illusionscharakter, je mehr sie durch ein hektisches Hin-und-Her bestimmt werden. Das nachverordnende Vorgehen gegen die kleinen Freiheiten, die sich im Schatten der Unfreiheit herausgenommen werden, führt dazu, daß niemand mehr weiß, was richtig und falsch ist.
Die möglichen Folgen der Willkür sind vorhersehbar: Jeder macht, was er will, aus Verzweiflung oder Trotz. Wäre es nicht von Anfang an der Weg der Freiheit gewesen, daß jeder frei entscheidet aus eigenem Ermessen und eigener Verantwortung?
Motivationen für ein Europa
Die französische geht auf Napoleon und Louis XIV zurück, ein Stück Zwang, ein Stück Universelles, etwas Glanz.
Die österreichische Motivation geht auf die (zu) späte Erkenntnis zurück, daß Kakanien als Sammelbecken kleiner Völker unter einer Krone nicht so schlecht war, seine Auflösung mehr Ungemach in die Welt gebracht hat, als seine Reform es je hätte getan haben können. Die Erfahrung der Schutzlosigkeit kleiner Völker als das eigentliche Motiv.
Die deutsche Motivation ist, Macht zu offenbaren, in dem sie versteckt wird. Ohnmächtig zu wirken und dabei zu glänzen, was als Generösität bei Dritten ankommt, erscheint den kleinen Völkern wie eine Drohung. Dabei war es doch gutgemeint.
Nicht vergessen werden sollte die amerikanische Motivation, die als Bedrohung oder Beherrschung angesehen wird, aber nichts weiter ist, als die Müdigkeit nach dem letzten großen Krieg. Ein System mit zu schaffen, dem man nicht mehr opfern muß.
Was, wenn die Motivation verängstigter Hypochonder, unter der Hand der Politik Schutz zu suchen, übergänge auf die von Staaten unter dem Dach Europas, wie stabil das auch immer sei.
Als wäre ein europäischer Thron schon errichtet, als fehle nur noch ein Napoleon, der auf schwankende Statisten folgte.
Indizien & Kaiserreiche
Die Indizienkette eines hamburger Professors über die Herkunft eines Virus‘ aus einem Labor in China und die Reaktionen darauf, als hätte es sich um eine biologische Waffe handeln können.
Israel, seit seiner Gründung in Existenznot, reagiert, als handele es sich um eine militärische Bedrohung, sperrt nach außen zu und innen ein. Die quantitativ erfolgreiche Impfkampagne kann als eine Form der Landesverteidigung gesehen werden.
Der amerikanische Präsident schickte vor einem Jahr zwei Lazarettschiffe in die größten Küstenstädte des Landes, war aber zusehends weniger von der Gefährlichkeit des Virus‘ überzeugt.
Europa verspätete sich etwas, allein Schweden blieb neutral.
Als Angehöriger einer deutschsprachigen Minderheit mit Diktaturhintergrund reagiert mein Immunsystem auf viele kleine Totalitarismen, sieht sie aber immer noch als Einzelfälle.
Aber doch auch einen Kriegsmodus, der keine Parteien mehr kennt. Atavistische Mechanismen, wie beim Ausbruch des Weltkriegs 1914.
In seiner Folge entstanden kommunistische und nationalistische Diktaturen. Ebenso wie neue Demokratien entstanden, bestehende Demokratien Ständewahlrechte abschafften, one man one vote auch fortan für Frauen galt.
Ein anderes Produkt des Weltkriegs Eins ist der Roman Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Dieser Josef Schwejk kommt bei Kriegsausbruch in die Situation, daß alles was er tut falsch verstanden wird, er sich um Kopf und Kragen redet, den Beweis erbringt, daß in dieser Situation nichts richtig ist, außer Klappe halten und machen was gesagt wird.
Für Österreich ging das nicht gut aus.
Schwejk macht fortan konsequent, was ihm gesagt wird, der Leser beobachtet ihn bei der Übertreibung und dankt dafür, sich nicht in solcher Situationen zu befinden.
Neulich sah ich ein Photo, wo eine Frau in der U-Bahn ihre hellblaue Maske nicht nur über Mund und Nase, sondern auch über die Augen gezogen hatte.
Vielleicht wollte sie nur schlafend himmelblau träumen. Vielleicht aber ist sie eine Nachfahrin von Josef Schwejk.
Für ihre Gedanken gäbe ich ein halbes verlorengegangenes Kaiserreich.