Wehrhafte Demokratie

Francis Fukuyama hat vor 30 Jahren vom Ende der Geschichte gesprochen. Es ist so nicht eingetreten, obwohl es einen Wechsel von der historiographischen zur historisch-moralischen Betrachtung seitdem gegeben hat. Fukuyama hat von einem Sieg der Demokratie gesprochen. Aber die Demokratien haben sich seit 30 Jahren vom Notwendigen ablenken lassen. Die Unterscheidung zwischen scheinbarer und echter Gefahr wurde immer vernebelter.
Der Reinfall auf die Gefahr durch ein Virus der Endpunkt dieser Geschichte.
Das offensichtliche Nicht-Wahrnehmen von Offensichtlichem führte zu der allgemeinen Fehleinschätzung der Angriffsstellung der Russen.
In der NZZ sind seine Thesen zum Krieg in der Ukraine zu lesen.
Er spricht von einer möglichen Niederlage der Russen und einer Wiederkehr der Demokratie. Auch das ist fast Nebel. Notwendig ist eine wehrhafte Demokratie, die stark nach Außen und innen pluralistisch und streitbar ist. Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung hat sich noch nie so stark wie in ihrem Fehlen während der Pandemie gezeigt.
Alle sind nun kalt erwischt worden, außer Teile der amerikanischen Geheimdienste und des Militärs, sowie der Ukrainer. Hier zeigt sich, daß ein aktives Training von Verteidigungsbereitschaft zu den Notwenigkeiten von Nationalstaaten gehört. Genauso ist der Nationalstaat in seiner Überschaubarkeit eine Voraussetzung für Demokratie. Eine universalistische Demokratie ist Wunschdenken.
Ja, es ist möglich, daß es eine große Rück-Besinnung auf die Demokratie geben wird. Aber gerade die Tapferkeit, mit der die Ukrainer sich verteidigen zeigt, daß es ohne die Verbindung zu einer nationalstaatlichen Idee nicht geht.
Fukuyama geht in seinen Thesen zu undifferenziert mit denen um, die er Populisten nennt. Denn einige dieser haben eben gerade die Notwendigkeit wehrhafter Demokratie erkannt. Polen hat es mit einem aktiven Grenzschutz praktiziert, so wie es jetzt aktiv die Ukraine unterstützt.
Notwendig die aktive Diskussion darum, ob eine Mehrheit in einer Demokratie ihren Willen einer Minderheit aufzwingen darf. Notwendig ist die Infragestellung ideologisierter Sachfragen (Klima, Energie, gruppenidentitäre Befindlichkeiten). Durch den Krieg sind die Demokratien auf ihre Notwendigkeiten zurückgeworfen worden. Den Optimismus Fukuyamas teile ich so nicht, es muß sich erst zeigen.