Es gibt die Sicht des Autors, die Sichten seiner Figuren. Die Blickweisen sind unterschiedlich, die Weite: manchmal scheinen sie Püppchen einer Matrjoschka zu sein, nur die äußerste sieht nach außen.
Wedenjapin ist der Onkel Juri Shiwagos. Eine Figur, deren Äußerungen darauf hindeuten, daß sie sich in einem Prozeß der ständigen Auseinandersetzung befindet.
Seine Auseinandersetzung mit den Positionen des alten Rußland; der Kakophonie aus Widersprüchlichkeiten zeigen einen Denker in eigener Sache. Die ihn umgebenden Meinungen, die er alle diskutierlich vorfindet, berühren ihn, jedoch nicht soweit, als daß er nicht in seinem Denken seine Sache findet.
…den Menschen hat eben nicht der Knüppel über das Tier erhoben und vorangebracht, sondern die Musik: die Unsterblichkeit der waffenlosen Wahrheit, die Anziehungskraft des Beispiels.
…kam der leichtfüßige und von Glanz umhüllte, betont menschliche, absichtlich provinzielle Galiläer, und von diesem Moment an hörten Völker und Götter auf zu sein, und es begann der Mensch, der Mensch als Zimmermann, der Mensch als Pflüger…
Auf Umstände, die ich als veränderbar empfinde, kann ich angesichts dieser Zitate nur mit unendlicher Geduld reagieren, nämlich das Menschliche in jeder Faser des Lebens zu sehen. (Insofern ist die Fixierung auf die Natur und die Erde ein reaktionäres Zurückweichen in römische oder gar archaische Zustände)
Aber wenn die Geduld aufgebraucht ist:
…daß eine teilweise Erneuerung des Alten nichts taugt, es bedarf eines grundlegenden Umbruchs. Der zieht vielleicht einen Einsturz des Gebäudes nach sich. Na und?
Wedenjapins Christentum ohne Kirche wankt und er macht sich mit der (berechtigten!) Ungeduld des Volkes gemein. Darin liegt gleichzeitig Verachtung, denn Geduld gesteht er dem Volk geistig nicht zu.
Also Zerstören und neu Aufbauen, den Menschen neu Gestalten (Der Intellektuelle sei Ingenieur der Seelen!). Am Ende ist es ein Krieg gegen die Wirklichkeit. Der Intellektuelle, der sich mit einer Sache gemein macht, die nicht mehr die eigene ist.
Wedenjapin auf dem Weg der Menschenbildung: möglicherweise ist er der Übernächste, der aussortiert wird.