Vierzig Jahre Woodstock, eine Stunde arte

Ich zappe immer wieder weg. Menschenmassen zu beobachten, wie aus der Totale in das Einzelne gezoomt wird, das hier den Status des Besonderen bekommen soll, den es aber nicht hat, langweilt.
Einer der Veranstalter stellt das Utopische über das finanzielle Desaster des Festivals und begründet den Pop-Mythos, der es nach 15 Jahren Schuldentilgung in die Gewinnzone schiebt.
Innerhalb der Stunde Zuschauens wachsen in der vergangenen Festivalzeit die Müllberge. Der Regen läßt sich auch durch Regentanz nicht vom Fallen abhalten.
Ich steige bei Richie Havens ein und bei John B. Sebastian aus.
Joan Baez singt Joe Hill, ich glaube kein Wort. Sie hat in ihrem ganzen bisherigen Leben weder ein Bergwerk, noch eine Fabrik von innen gesehen. Wahrscheinlich trifft es auch auf die Autoren des Songs zu. Sie schaut verlogen bis ins Mark. Aber sie bedient ein Etwas, dem Protest einen proletarischen Background zu geben.
Das sind allesamt nette Kinder. Man telefoniert nach Hause, Mama zu sagen, daß man noch lebe und es nicht so schlimm wäre, wie in den Nachrichten. Die Minderheiten, für deren Freiheit man ja auch dort sitzen würde, sind die Ausnahme, sie werden von der Kamera fixiert. Das Publikum ist weiß und keine Arbeiterklasse.
Für wen singt und schreit Richie Havens nach Freiheit? Daß er sich dort mutterseelenallein findet: für sich selbst?
Die meisten meiner Punkte für die Musik gehen nach Great Britain. The Who, Alvin Lee und Joe Cocker. Thats Rock’n Roll! Alvin Lee erzeugt eine Grundspannung kurz unterhalb der Extase: in Riffs! Dann springt er geschwind, gezupft, gekonnt immer wieder knapp über diese Linie.
Das ist für The Who Teil der Show als zornige junge Männer. Kein weiterer Kommentar, wer das so kann, dem glaubt man das, der glaubt das selbst und kann es auch deswegen.
Die rudernden Arme des Klempners aus Sheffield, der gewiß etwas Hilfe seiner Freunde braucht. Nur gerade da nicht, wo es um die Kunst geht, jeder Einsatz sitzt, jeder Ton wird getroffen, um nur annähernd festzustellen, was diesen Auftritt so besonders macht.
Die blauen Augen von Grace Slick, ihre Stimme erzeugt mit der E-Gitarre einen besonderen Sound. Leider hält er nicht, was er verspricht, die musikalischen Ideen von Jefferson Airplane verläppern sich. Sie spiegeln ihr Publikum, auch äußerlich. Grace Slick steht am Bühenrand und beißt sich vor Eifersucht auf die Lippen, während sich ihr männlicher Kollege produziert.
Bei John B. Sebastian schalte ich aus, soviel Banalität ist kaum zu ertragen, sein wichtigster Beitrag ist die Bitte, etwas Müll mit nach Hause zu nehmen.