nochmal Josef Schwejk

Er wird, wessen man ihn beschuldigt: ein Staatsfeind, ein Idiot. Ist er einmal in die Rolle gekommen, stellt die Obrigkeit, die gerade der Fall ist, fest, daß es doch nicht ganz paßt. Die Denunziation braucht den Widerstand des Denunzierten. Es irritiert seine Lust zur Demut.
Schwejk befindet sich in einer Welt, die in ihre Tatsachen zerfällt. Ihre Werte, durch Ämter & Würden verkörpert, zerfallen, wie sie sich verfestigen wollen.

Stellen wir uns Schwejk als Häftling der Gestapo vor.
Der Nationalsozialismus als neue Tatsache, aus der zerfallenen kakanischen Welt. Ihre Werte berufen sich auf das Unwerte anderer. Die Gestapo hätte ihn ausgesondert: in ein Lager, eine Anstalt, eine Grube.

Die GPU dagegen hätte versucht, aus ihm das Geständnis zu prügeln, nämlich daß hinter seiner kleinbürgerlichen Ironie Drahtzieher steckten: feindlich-negative Kräfte.
Die GPU hätte Schwejk gebrochen und dann in die Grube geworfen.

Aber er ist ein gemütlicher Mann. Intelligent genug zu wissen, wann er sich anpassen muß, im Bewußtsein, daß er es tut, es spielt ohne Mutwillen.
Allein die Restzeit Kakaniens, ihre Gerade-Noch-Gemütlichkeit ist sein Biotop und hat die nötige Fallhöhe, die wir heute betrachten. Aber sie scheint uns berechenbar, man stürzt nicht zu Tode.

Er könnte auch heute durch die Straßen laufen und die Leute mit dem betrügen, wonach sie verlangen.
Nach einer Phase der Freiheit, ihre Steigerung in den Aberwitz, schlägt sie um in die Massenbetreuung von Risiken.

Noch könnte Josef Schwejk kopfschüttelnd und murmelnd, fast unbehelligt durch die Straßen laufen…

Machen & Sein

Sein ist das unmittelbare Leben, die Frage danach, der Weg der Suche. Es wird im Glück erfahren und in seiner Abwesenheit.
Das Machen ist das Handeln des Menschen aus dem Notwendigen heraus. Es ist seine Technik, seine Produktion, seine Routine. Machen & Sein in Einklang zu bringen, ist eine Sehnsucht. Besonders, wenn das Machen als Irrweg weg vom Sein empfunden wird.
Ohne Machen kann der Mensch nicht leben, ohne Sein erscheint ihm das Leben fade.
Zen ist ein Weg, in dem Machen zu Sein werden möchte.
Dringt das Machen zu sehr ins Sein, entstehen Hybride aus Bequemlichkeit oder Verwirrung.
Ohne Machen kein Sein. Ohne Sein ist Machen Machine. Der gemachte Mensch ist dem Tode näher als der, der über sich hinaus in ein höheres Sein im Machen wächst.
Das Machen scheitert am Widerstand des Seins, wenn es überdeht. Das Sein bleibt Selbstzweck, wenn es nichts macht.
Die Übung (nach Sloterdijk), die Askese ist Machen des Seins, die Übung macht den Seinszustand, wenn sie aktiv betrieben wird.

Die Welt zerfällt in Tatsachen

Beim Radfahren rauschen Wahlplakate an Laternenmasten an mir vorbei. Die Statements sind beliebig und austauschbar. Eine politische Welt, die different und verschieden war, ist implodiert und zerfällt nun in Einzelteile.
Ich frage mich, was sich da zusammensetzen, was nun der Fall sein wird.

Wortwörtlichkeit

Die Geschichte zu lesen, die Orwell in 1984 erzählt, bereitet mir Qualen, bis heute habe ich nie geschafft, sie zu beenden. Qual bereitet mir, daß die Geschichte keinen Ausweg läßt, der Held ist als Objekt total. Die Sprache erzählt Vorgänge.
Der Trost, der in den Texten Kafkas liegt, ist Wortwörtlichkeit. Seine Helden, sein erzählendes Ich sprechen und erzeugen jedes Wort so, als wäre es das erste Mal erschienen. Seine Worte werden zunächst nicht Bedeutung, daß sie im Zusammenhang eine Geschichte, einen Vorgang bilden. Sie bleiben erstmal nichts als Worte und bieten mir im Nachsprechen Trost.
Ja, dann entsteht auch bei Kafka Bewegung, die Nadeln schreiben Worte, wie nebenbei weht ein Hauch und eigentlich weht er auch schon dem Lesen voraus und da er aus eben jenen Worten kommt, ist er stärker, schwerer, als so manches andere.
Der Ausweg aus dem Irrwitz, den Kafka erzählt, liegt in seiner Wortwörtlichkeit.

Möglichkeitsvielfalt

Vor Jahren, wann weiß ich nicht mehr, gab es eine Möglichkeitsvielfalt. Ich empfand das für mich, meine Umgebung, die ganze Welt. Getragen von äußeren Einflüssen, wie Wissenschafts- und Technikentwicklung, als auch einer gesellschaftlichen Situation, in der Spielfreude und Denklust nicht selten waren.
Die Vielfalt schloß die Extreme Möglichkeitsangst, ~panik, die Illusion des Wünschens mit ein.
Nach Statistik & Wahrscheinlichkeitsrechnung dürften die Möglichkeiten eigentlich konstant sein.
Aber es hat sich verengt. Aus der Vielfalt der Möglichkeiten blieb die reine Angst, gepaart mit töricht-panischem Wunschdenken als Ausweg.

Der stete Tropfen

Das Faß verhält sich dynamisch und läuft nicht über. Unzählige Tropfen, von denen es jeder zum Überlaufen gebracht hätte haben müssen. Offensichtlich wächst das Faß mit seiner Duldsamkeit.

Impfen als Eucharistiefeier

Alle haben mit Allen teil aneinander. Der injizierte Impf-Stoff als die Substanz einer Feier, die durch die Verletzung einem kollektiven Kannibalismus nahekommt. Mit der freiwilligen Selbstverletzung wächst die Scham, die den Bacchantinnen gleich, keine Nicht-Teilnehmer duldet.
Die Hybris, daß das menschliche Wissen größer erscheint, als es ist oder durch Geduld sein könnte, als Travestie Gottes. Das Begreifen von Gott: Etwas ist größer als wir. Aber wir sind Teil und sind es gleichzeitig, nur eben nicht ganz in dem Sinne, daß wir in der Summe Gott bilden.
Der Impf-Stoff erlöst nicht von dem kleingedachten Übel. Er ist beladen mit dem Zwang zur Notwendigkeit, ohne dauerhafte Prüfung auf Wirkung und Schaden.
Nur durch Demut bleiben wir Teil des Größeren, Erhabenen. Wir verlieren es durch den Wahn, selbst erhaben oder groß sein zu wollen und geraten in den Zwang, andere zwingen zu müssen, um wenigsten die Illusion einer Gemeinschaft derer zu sein, die durch den Impf-Stoff verbunden sind.

Fremdtext

Es wurde ihnen die Wahl gestellt, Könige oder der Könige Kuriere zu werden. Nach Art der Kinder wollten alle Kuriere sein.Deshalb gibt es lauter Kuriere, sie jagen durch die Welt und rufen, da es keine Könige gibt, einander selbst die sinnlos gewordenen Meldungen zu. Gerne würden sie ihrem elenden Leben ein Ende machen, aber sie wagen es nicht wegen des Diensteides.

Franz Kafka: Das dritte Oktavheft

Simulation einer Katastrophe

Nehmen wir einmal an, der Hergang des Auftauchens eines neuen Virus‘ sollte der Anlaß zu einer weltweiten Mobilmachungsübung gewesen sein, welche die Frage stellt, inwieweit wir auf die Katastrophe einer Epidemie durch einen tödlichen Erreger vorbereitet sind. Ein Erreger, der bis dahin unbekannt, bzw. in dieser Form neuartig gewesen ist.
In China gibt es einen Arzt, der warnt, er wird zum Staatsfeind erklärt und stirbt später möglicherweise an der Krankheit, die das neue Virus auslöst.
Erratische Leugnung der Gefahr (wenn der Begriff der Coronaleugnung jemals zutrifft, dann hier), die in hektisches Handeln umschlägt. Erkenntnisse, die ignoriert werden, vor und nach dem Umschlag in den Panikmodus, es wird nicht diskutiert, wird keine öffentliche Diskussion angeregt, die dem Erkenntnisgewinn dient. Es wird dekretiert und aktionistisch gehandelt (vierzehn Tage Krankenhausbau!), nach klassischem (und gleichzeitig auch animistischem) Muster, daß viele und große Aktionen, viel verhindern. Diese Art und Weise ist der Geburtsfehler des Umgangs mit dem neuen Virus.
Das erratische Handeln bestimmt, was passiert; auch in der Interaktion von Macht & Volk, die sich gegenseitig bedingen. Wo das Volk Handeln verlangt, gibt die Macht das Verlangte und das Volk folgt. Es ist eine gegenseitige Versicherung von Handeln, von dem was geschehen müsse; jeder gibt das Verlangte, keiner handelt verantwortlich.
Wo eine Balance von Volatilität und Struktur nötig gewesen wäre, in der Suche nach Erkenntnis und der Suche nach der Wirksamkeit von Maßnahmen, fand nur die Lähmung in der Bewegungslosigkeit statt.
Die Welt sieht im Januar 2020 auf China, reibt sich verwundert die Augen und -? – wiederholt die gleichen Fehler. Also erst Leugnung einer möglichen Gefahr, dann maßlose Überbewertung samt Angstkampagnen, die ihrerseits in der Bevölkerung Rufe nach Maßnahmen laut werden lassen.
Auf die Zweifler an der Gefährlichkeit des Virus‘ und der Richtigkeit der Maßnahmen projizieren die Erratiker ihr vormaliges Leugnen und entsorgen das eigene Versagen in den Begriff des Coronaleugners. Es finden bei den Verantwortlichen keine intellektuell nachvollziehbaren Wechsel statt. Es handelt sich um Sprünge aus einem Starrzustand in den nächsten.

Insofern wurde der Simulationstest nicht bestanden. Eine mögliche echte Katastrophe durch einen gefährlichen Erreger hätte fatale Folgen.

Das Hochwasser in Westdeutschland bestätigt das und ergänzt es.
Es gibt kein funktionierendes Katastrophenmanagement. Volatiles Handeln hieße hier, auf viele Gefahren vorbereitet zu sein, die verschiedenen Wege des Wassers in verschiedenen Landschafts- und Siedlungsformen vorauszusehen, zu warnen, Menschen zu evakuieren, etc.
Es gibt schon Warnsysteme, aber sie scheinen ermüdet zu sein und arbeiten nicht in der notwendigen Intensität.
Das trifft auch auf die individuellen Sensorien für Gefahr einzelner Menschen zu. In einer Gesellschaft, in der Alles sicher scheint, wird die Katastrophe zur Unmöglichkeit. Die Achtsamkeit für Gefährdung sinkt.

Trotz langer Erfahrungen, trotz Wissenschaft & Technik verhalten wir uns unbekümmert und archaisch zugleich. Zuerst ignorieren wir eine Gefahr, dann überschätzen wir sie und laden sie mit mythischen Deutungen auf.